Fischers Quiz

               

Ich hab von einem Oberrichter gehört, der beim Speisen im Bazar gefurzt hat vor lauter Unabhängigkeit.“
Dorfschreiber Azdak („Der kaukasische Kreidekreis“)

Aus irgendeinem Grund hält Oberrichter a. D. Fischer die Deutschen für Terrorexperten, die sich für RAF-Opfer und Bomben in Kabul interessieren. Um sie der Heuchelei zu überführen und die Journaille der Inkompetenz, hat er ein NSU-Quiz geschrieben und der Spiegel hat es abgedruckt.1) Ob er selbst die Antworten auf den Test weiß, ist fraglich, denn ihm fehlen Detailkenntnisse zum Münchner Prozeß, und also nennt er seinen Begleittext treffend „Wahn und Wahrheit“.

Wie auch immer: Die deutschen Frauen und Männer kennen sich aus im Terrorismus. Sie kennen die Namen der ermordeten Begleiter von Buback und Schleyer und weinen täglich um die in Kabul zerrissenen Kinder. Kein Anschlag entgeht ihnen, kein Mitgefühl ist ihnen zu anstrengend. Fünf Wissensfragen also für alle, die fünf Jahre lang den NSU-Prozess verfolgten:

  • In welcher Stadt wurde der zweite NSU-Mord begangen?
  • Welchen Beruf hatte das sechste Opfer?
  • Mit wie vielen Schüssen wurde das vierte Opfer getötet?
  • Wann wurde der von welchem Mitangeklagten beschaffte Ausweis erstmals eingesetzt?
  • In welcher Stadt lebten die Täter von 2006 bis 2007? 2)


Wo immer der Richter „deutsche Frauen und Männer“ in Gedanken befragt, sie werden die Antworten schuldig bleiben und damit beweist Fischers schöner Zirkelschluß, daß deutsche Kaulquappen leichte Beute sind und gefühllos und rechtsseitig blind sowieso. Kollektiv durchgefallen im Testat wären vermutlich auch Frauen und Männer der türkischen Community und alle sonstigen MenschInnen, die andere Sorgen haben als Schußwunden und Tatorte zu zählen.

Fischer baut sich einen doppelten Popanz auf, denn nicht die Deutschen verfolgten den NSU-Prozeß, der Prozeß verfolgte die Deutschen. Jetzt wirft er ihnen wohlfeil eigenes Desinteresse vor. Dennoch Euer Ehren: Wer einer vorverurteilenden medialen Öffentlichkeit mißtraut, die ja auch Sie von hoher Warte herab tadeln, wer abstumpft gegen Generalverdacht oder – schlimmer – zweifelt, ist deshalb noch kein „Sympathisant“.

Die prosaische Wahrheit dürfte sein: Das Volk schweigt, weil es den NSU nicht glaubt. „Düstere Parallelwelt“, so nannte es der Spiegel, noch im Sommer 2011;3) „tief am Grunde des deutschen Sees“ gilt das wohl weiter als Erklärung für die Dönermorde.

Nach fest kommt ab

Fischers Rundumschlag trifft freilich nicht nur das Tätervolk. Prozeßbeobachter, mainstreamig und alternativ, Juristen, sogar Opferanwälte bekommen ihr Fett weg. In der Sache zu Recht – natürlich, aber Kritik an Letzteren war bisher tabu in Presseorganen, für die er Volksaufklärung betreibt. Der Ex-Richter darf das, weil er mit Erbschuld und Singularität die Koordinaten bestimmt: „NSU 2018 ist nicht Auschwitz 1963, selbst wenn die Stimme bebt.“

Mag sein. Tatsächlich sind jene „Hysteriker“, denen er Emotionen und Delegitimierung des Verfahrens vorwirft, nur konsequent; für sie ist der Kampf gegen das NSU-Phantom aktiver Staatsschutz und ein Kampf mit allen Mitteln gegen ein neues Auschwitz. Dem haben sich Recht und Richter unterzuordnen. Allerdings: je verbissener Staat und „Zivilgesellschaft“ den NSU-Schwindel verteidigen oder beliebig erweitern, desto stärker werden Zweifel an der Methode auch andere Verbrechen erfassen; Auschwitz inklusive.

Verlogen ist Fischers Medienschelte allemal, also gut für den Spiegel, auf daß sie unwidersprochen bleibt. Auch hier greift er an, was er selbst tut: Das durchgängig Absurde des NSU-Märchens wird tapfer ignoriert, ebenso das politische Fundament medialen Versagens: Vorverurteilung war parlamentarische Praxis seit dem 22. November 2011. Die Exekution des NSU-Wahns war und ist eine gesamtgesellschaftliche Veranstaltung, Richter Götzl sitzt da auf derselben Bank wie die gescholtenen Prozeßbeobachter, wie Untersuchungsausschüsse und Herr Fischer.

Hätten die Ramelsbergers, Friedrichsens und Sundermanns nicht nur Stimmung gemacht, sondern tatsächlich kritisch begleitet; was wäre passiert beim Abweichen von der Marschroute oder im Konflikt mit vereinten Opferanwälten oder der #KeinSchlussstrich-Fraktion? Was, wenn sie echtes Interesse geweckt hätten beim empathielosen Volk, ein unerwünschtes vielleicht, das sich nicht abspeisen läßt mit „Was wußte der Verfassungsschutz?“ oder einem fiktiven bundesweiten NSU-Netzwerk? Dann doch lieber Zschäpes Frisur.

Lassen wir uns also nicht täuschen; für Ex-Richter Fischer ist emotionaler Mißbrauch im Namen der guten Sache kein wirkliches Problem, siehe sein Geraune zu Oktoberfestbombe, Erlanger Rabbinermord, WSG; siehe Rassismusexkurs „Dönermorde“. Seine herablassende Belehrung juristischer Laien ist vorgeschoben; es geht ihm um die Gefahr des Überdrehens, er will den Nimbus einer unabhängigen Justiz retten vor allzu großer Zudringlichkeit des Pöbels.

Beim NSU reinen Tisch zu machen, daran hat Thomas Fischer kein Interesse und dafür hat dieses Staatswesen nicht mehr die Kraft und so wuchert das weiter als Herrschaftsmythos, repressiv durchgesetzt gegen ein ungläubiges Volk.

PS. Die Antwort lautet: Dönerverkäufer. Das sechste Opfer der Dönermorde war Dönerverkäufer, und sein Name war İsmail Yaşar. Näheres im Sachstandsbericht der BAO Bosporus; abrufbar im Internet, ignoriert von BeobachterInnen des Staatschutzprozeßes in München.

Fußnoten und Anmerkungen:

1) http://www.spiegel.de/panorama/justiz/nsu-wahn-und-wahrheit-fussnoten-zur-urteilsverkuendung-von-thomas-fischer-a-1219176.html

2) In welcher Stadt? Hm, daß Böhnhardt und Mundlos, wenn man sie denn für die Mörder hält, 2007 in der Polenzstraße wohnten, ist durch Zeugenaussagen der Anwohner kaum gedeckt. Mindestens müßte man antworten: Unbekannt verzogen und läge auch da falsch.

3) http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-77108510.html

Bildnachweis:
British Theatre Guide
„The Caucasian Chalk Circle“
http://www.britishtheatreguide.info/reviews/the-caucasian-c-lyceum-theatre-11256

9 Gedanken zu “Fischers Quiz

  1. Wenn man bei Fischer die Rosinen rausgepickt hat, ist der Rest kein Kuchen, sondern Schei …!

    Seine selbstverliebten Pseudokritiken sind ein eloquenter Schleier um den Kern seiner Botschaft. Der unabhängige Rechtsstaat funktioniert, das ist aber nichts was der Laie erkennen kann.
    Bei seiner NSU-Sicht zeigt sich diese Verlogenheit besonders.
    Allein die Anklageschrift reicht, um die Suspendierung des Rechtsstaates zu erkenne. Da muss man nicht Richter a.D sein.
    Da reicht Jurastudent erstes Semester, zwei Vorlesungen … 😉

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  2. „Allerdings: je verbissener Staat und „Zivilgesellschaft“ den NSU-Schwindel verteidigen oder beliebig erweitern, desto stärker werden Zweifel an der Methode auch andere Verbrechen erfassen; Auschwitz inklusive.“
    In der Tat, ganz offensichtlich gleichen sich gewisse Muster und Methoden. Aber ob das wirklich Hinz und Kunz erkennen oder doch nur geistig etwas mehr Begüterte? Und mancher von denen wirds nicht aussprechen; daher allein schon deshalb großes Kompliment!

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      • Das stimmt. Ob er sich nicht im Klaren darüber war, glaube ich aber nicht. Der hat gelegentlich etwas delphihaftes. Als ob er für Gezeitenwenden vorbauen möchte oder auch nur im Alter noch ein bisschen als der letzte Philosoph der Anständigen gemalt werden möchte. Da ist ja sonst keiner mehr, der einen Gedanken logisch zu Ende bekommt.
        Über KKP ist jedes Wort zuviel.

        [Ja. Deshalb gekürzt, weil themenfremd.]

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      • Im Übrigen: Wenn sich eine langjährige Musikkritikerin, bei der Kultursensibilität Grundvoraussetzung ist, in dieser Weise „im Ton vergreift“, dann darf man mißtrauisch werden. Daß solche „Vorfälle“ von interessierter Seite dankbar aufgenommen werden, versteht sich von selbst. Das hat mit „nacktem Kaiser“ nichts zu tun.

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  3. Oberrichter ist doch sicher adäquat dem Obergefreiten.
    Ansonsten fand ich es imponierend, sich vor alle hinzustellen, zu sagen, ich habe keine Ahnung von diesem NSU und Prozeß, aber jetzt erzähl ich euch mal was.
    Funktioniert immer wieder und wird wohl auch gut bezahlt. Für lau zieht der sich nichts aus dem Arsch.

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      • Ich mag nicht so recht an einen in der Öffentlichkeit ausgetragenen richterlichen Schwanzvergleich glauben, wie es mir eh an Glauben mangelt. Aber irgendwie sind sie doch nur alternde Gecks deren Laufzeit abgelaufen ist, das wissen sie, deren Restlaufzeit sie aber in gewissen Grenzen selbst bestimmen können, Denn im Gegensatz zu AKW-Betreibern lassen die sich von Merkel nicht ins Geschäft reinreden.
        Insofern ist öffentliches Pimmelwedeln vielleicht doch nicht die schlechteste aller Ideen. Und wenn es nur darum geht, ist Inhalt völlig Banane.

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