Betonsteinschnecke

That’s my dream. That’s my nightmare: crawling, slithering, along the edge of a straight razor and surviving.“
Colonel Kurtz

Wir trafen uns an einem Jugendtreff. Einem Spielplatz, welcher Schnecke genannt wurde, benannt nach einem Betonstein, der das Aussehen einer Schnecke hatte.“
Beate Zschäpe

 

        diemer_typewriter

Was viele Menschen im Lande nicht wissen: Die deutsche Beamtenschaft ist kunstsinnig und kreativ. Kaum der Tristesse ihrer Dienststuben entronnen, werden Polizisten zu Poeten; sie singen und musizieren. Staatsanwälte und Richter eilen ins Kabarett, Schlapphutträger greifen in die Tasten, aber auch der Appendix der Strafverteidiger macht respektables Theater.

In der Netzgemeinde gilt es als ausgemacht, dass Beate Zschäpe für jene Erzählung, die als fiktionale Lebensbeichte am vergangenen Mittwoch in München vorgelesen wurde, nur ein paar biografische Krümel beisteuerte. Das wirkliche Autorenkollektiv ist unbekannt. Es wird kein exklusives Täter- oder auch nur Insiderwissen preisgegeben, einzige Vorlage des Werkes scheint die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft zu sein. Stilistische Brüche, Einfügungen und Montagen zeugen von intensiver Bearbeitung.

Nach dem Fakeanschlag von Paris, der zum Casus Belli avanciert und dem Anschlagsfake von Hannover, den der Mossad „verhinderte“, ist die mit Spannung erwartete NSU-Novelle das dritte künstlerische Terrorismusevent in Folge.

Eigentlich ein Selbstläufer, aber Presse, Nebenkläger und Hinterbliebene zeigen sich schon vorher unzufrieden. Und dabei bleibt es. Beates Bitten um Entschuldigung werden folgerichtig schroff zurückgewiesen.

Haben die Autoren versagt? Nein. Die Bundesanwaltschaft darf sich bestätigt sehen und nur das zählt. Zwar verschwindet vorerst der rechtsterroristische Verein „NSU“, denn die Uwes morden nicht als Nazis, sondern um Frust abzubauen, aber eine haltlose Anklage ohne substantielle Beweise bekommt endlich das passende Zeugnis.

Und das just zu einem Zeitpunkt, als einerseits die Netzgemeinde den NSU-Schwindel immer erfolgreicher dekonstruiert und sich andererseits ein neuer Bundestagsuntersuchungsausschuss anschickt, eine Krokus-Großkampagne zu starten. Das nicht mehr ganz frische Wendeopfer Beate wird nun den Herren Diemer, Weingarten und Götzl auf dem Silbertablett serviert: Macht mit mir, was ihr wollt. Zum vereinbarten Preis.

Too big to fail

Auf innere Widersprüche, Ermittlungsergebnisse oder chronologische Zusammenhänge nehmen die Autoren der Zschäpeaussage keine Rücksicht mehr. Glaubwürdigkeit als höheres Ziel wird aufgegeben, gesunder Menschenverstand bewusst ignoriert. Groteske Überzeichnung schafft endlich eine surreale Ebene. Wer meinte, der „NSU“ ließe sich nicht mehr weiter ins Absurde steigern, sieht sich widerlegt. Alles ist nunmehr möglich und das Gegenteil auch.

Für das Publikum ist die Bestätigung der Mordvorwürfe gegen Böhnhardt und Mundlos im Namen Zschäpes dennoch eine Zäsur. Der Staat selbst hat die letzte Chance auf gesellschaftliche Gemeinsamkeit von Lebenserfahrung und Lebenswirklichkeit verpasst. Er ist vollständig in eine abgespaltene mediale Simulation hinübergeglitten, in der Kausalitäten keine Rolle spielen. Ein Zurück gibt es nicht mehr, einen Ausweg auch nicht. Die NSU-Lüge ist zu groß geworden, um sie scheitern lassen zu können; die Münchner Anklagebank hat diesselbe Systemrelevanz wie eine Münchner Anlagebank.

Woran erkennt man die innere Unwahrheit der Zschäpeaussage? Zentrales Thema und roter Faden ist die dargestellte Unfähigkeit Beates, auszusteigen. Grund seien vor allem ihre starken Gefühle für Uwe Böhnhardt und eine Suiziddrohung gewesen. Das besondere Verhältnis zu Böhnhardt wird schon durch seine Mutter nicht bestätigt.1)

Einmal habe sie Zschäpe gefragt, ob sie die Hausfrau sei. „Ja!“, habe diese entgegnet. Und mit wem sie eine Beziehung führe, wollte die Mutter wissen. Sie seien drei Freunde, mehr nicht, habe Zschäpe geantwortet. Jeder habe sein eigenes Zimmer, selbst Zschäpes zwei Katzen.

Im Jahr 2000 soll bei einer Verabredung auch über einen Ausstieg aus der Illegalität gesprochen worden sein. Ihr Sohn und Beate Zschäpe hätten sich stellen wollen. „Aber der Uwe Mundlos war nicht bereit“, sagt Brigitte Böhnhardt.

Das klingt auch nicht nach Suizidabsichten. Eine geplante Flucht der Uwes nach Südafrika wäre so ziemlich das Gegenteil von Selbstaufgabe, nämlich der Wunsch nach einem Neuanfang. Weitere Kapitalverbrechen ohne erkennbares Motiv zu begehen und sich unnötigen Risiken auszusetzen, widerspricht einem gemeinsamen ernsthaften Plan, ins Ausland zu gehen.

Wer „verkackt hat“, wird kaum Wert auf perfekte Organisation und spurenlose Durchführung von schwersten Straftaten legen. Wen Angst vor Verhaftung quält, wird sich nicht mit seinen mutmaßlich überwachten Eltern treffen oder wie Böhnhardt 2003 mindestens ein Mal selbst die Heimatstadt besuchen.2)

Was Zschäpe davon abhalten sollte, sich zu stellen, ist aus mehreren Gründen nicht nachvollziehbar: Sie wollte nach eigener Aussage das Land keinesfalls verlassen und die fluchtwilligen Uwes sahen sie umgekehrt als Belastung. Niemand bringt sie mit Raubüberfällen in Verbindung, gegen die drei Untergetauchten wird deswegen nicht ermittelt. Das betrifft auch die angeblichen Morde. Ob Beate relevante Straftaten aus der Jenaer Zeit gerichtsfest nachweisbar gewesen wären, ist fraglich.

Und schließlich: Dass eine Reihe schwerster Verbrechen dauerhaft ohne Konsequenzen bleiben würde, konnte dagegen auch Beate nicht ernsthaft hoffen. Ein tödliches Ende der Situation war beschlossene Sache, wenn man den Schilderungen vom „knallenden Abschluss“ glauben will.

Eine seelische Belastung durch Morde, die sich in der angeblichen Adventsbeichte von Uwe Mundlos gegenüber Beate ausdrückt, lässt sich in einer Dreierbeziehung unter Fluchtbedingungen kaum über viele Jahre konfliktarm durchstehen. Schon gar nicht in einer isolierten Lebensgemeinschaft. Stattdessen gibt es regelmäßig gemeinsame harmonische Strandurlaube. An dieser Geschichte stimmt gar nichts.

„Fackel ab!“

Gewiss, Beate Zschäpe darf lügen. Aber da, wo die Zschäpeaussage auf nachprüfbare Fakten zurückgreift, scheitert sie fast durchgängig. Augenfällig wird das bei der versuchten Vertuschungsstraftat zur Garagenrazzia im Januar 1998.  Neben einem gravierenden inhaltlichen Widerspruch, den der Blogger Siegfried Mayr überzeugend darstellt, zeigt das Beispiel auch im Detail, dass sich die Autoren der Zschäpeaussage nicht im Geringsten um veröffentlichte Untersuchungsberichte, Gutachten und Aussageprotokolle kümmern. Der Aussagetext Beates lautet:3)

Während der Hausdurchsuchung ließen ihn die anwesenden Polizeibeamten gehen, und Uwe Böhnhardt fuhr mit seinem Auto davon. Er rief mich an und teilte mir mit, dass die Garage aufgeflogen sei. Er forderte mich wörtlich auf: „Fackel ab.“

Ich weiß nicht mehr, warum ich ihm nicht gesagt habe, dass er das doch selber machen könne, weil er mit seinem Auto schneller dort sei und ich zu Fuß hingehen müsse. Ich besorgte mir jedenfalls eine leere 0,7 Literflasche und füllte diese an der Tankstelle mit Benzin. Mit der Flasche unterm Arm bin ich zur Garage gelaufen, um mit Hilfe des Benzins das dort gelagerte Propagandamaterial zu verbrennen. Ganz in der Nähe der Garage sah ich mehrere Personen, die anscheinend ihr Auto reparierten.

Dieser Umstand hielt mich davon ab, das Benzin in der Garage auszuschütten und anzuzünden.

Das frei zugängliche sog. Schäfergutachten, erstellt im Auftrag des Thüringer Innenministeriums, schreibt dagegen Folgendes (wichtige Zeitangaben gefettet):4)

Am 26.01.1998, 06:00 Uhr, wies der Einsatzleiter des TLKA in der KPI Jena die unterstellten Beamten in ihre Aufgaben ein. Dabei stellte einer der Beamten fest, dass der Besitzer der Garage Nummer 5 (Kläranlage), Herr Apel, selbst Angehöriger der KPI Jena sei. Während der Einsatzleiter das Eintreffen dieses Beamte in in der KPI Jena abwartete, sollte der für die Durchsuchungen in der Richard-Zimmermann-Straße bestimmte Durchsuchungsleiter schon mit den Durchsuchungen beginnen. Die Außensicherung der drei Garagen erfolgte gleichzeitig ab 06:45 Uhr.

(Schäfergutachten, S. 69)

Die Durchsuchung der Garage Nummer 6 begann gegen 07:25 Uhr und endete gegen 09:30 Uhr. Die Beamten suchten zuvor die Wohnung der Familie Böhnhardt in der Richard-Zimmermann-Straße 11 auf. Dort trafen sie Uwe Böhnhardt und seine Mutter, Brigitte Böhnhardt, an. Beiden wurde der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Jena vom 19.01.1998 eröffnet, ihr Recht auf Anwesenheit bei der Durchsuchung bekannt gegeben und je eine Ausfertigung des Durchsuchungsbeschlusses ausgehändigt.

[…]

Noch während die Durchsuchung der Garage andauerte, entfernte sich Böhnhardt zwischen 08:30 Uhr und 09:00 Uhr mit seinem PKW.

(Schäfergutachten, S. 70)

[…]

Nach Beginn der Durchsuchung der Garage Nummer 6 in der Richard-Zimmermann-Straße fuhren der Einsatzleiter mit Herrn Apel und der Durchsuchungsgruppe „Kläranlage“ zur Garage Nummer 5 (Kläranlage). Gegen 08:15 Uhr schloss Herr Apel mit seinem Schlüssel das Knebelschloss am Garagentor auf.

(Schäfergutachten, S. 71)

Mal angenommen, Beate hätte während Böhnhardts „Flucht“ einen Anruf erhalten, also gegen 08:30 Uhr, wäre zur Tankstelle gelaufen, hätte dort trotz Mindestabgabemenge von 2,0 Litern Benzin entgegen der Gefahrstoffverordnung eine 0,7-Liter-Plastikflasche befüllt, ohne Trichter womöglich; dann hätte sie an der Garage 5 nicht nur mehrere Personen gesehen, die an einem Wintermorgen ein Auto reparieren, sondern Polizisten und „Onkel“ Apel am Garagentor.

Die Geschichte vom Verzicht auf Beweismittelvernichtung aus Sorge um Leib und Leben Unbeteiligter passt nicht. Sie ist vermutlich frei erfunden, um den Vorwurf des Mordversuches in der Zwickauer Frühlingsstraße zu entkräften und die bizarren „Selbstenttarnungen“ durch Brandstiftung in Stregda und Zwickau irgendwie als Kontinuum darzustellen.

Im Schneckenhaus

Je weiter man die Vorgeschichte des NSU-Phantoms zurückverfolgt, desto klarer wird das grundsätzliche Problem. Gesteuerter Aufklärungswille hat zu einem unübersichtlichen Wirrwarr aus Fakten, Lügen und Halbwahrheiten geführt. Wer aber neue überzeugende Lügen erfinden will, muss wissen, wo der Hund begraben liegt.

Im Haskala-Protokoll vom 15. April 2013 erklärt der Jenaer Staatsschutzbeamte Roberto Tuche vor dem Thüringer NSU-Ausschuss, dass er gemeinsam mit seinem Kollegen und damaligen Vorgesetzten, Klaus König, im Vorfeld der Garagendurchsuchungen den Polizisten Klaus Apel besucht hatte, um zu klären, „was es mit der Garage auf sich habe, in wie weit Apel der Besitzer oder Mieter ist und ob es da Verwandtschaftsverhältnisse gibt.“5)

Auch Zschäpes Geburtsname ist Apel. Verwandtschaft wäre also in einer Stadt wie Jena durchaus denkbar und damit, dass die Drei vor einer Durchsuchung gewarnt wurden. Sie hätten dann Zeit genug gehabt, belastendes Material aus Apels Garage zu beseitigen.

Der ehemalige Chef des Jenaer Staatsschutzes, Klaus König, bestreitet jedoch am 1. Juni 2013 im Thüringer Ausschuss in einer Gegenüberstellung vehement diesen Besuch. Sein neben ihm sitzender Nachfolger Tuche, 2013 aktiver Beamter des Staatsschutzes, bleibt bei seiner Darstellung. Eine groteske Situation, die bis heute unaufgeklärt ist. 6)

Auch Garagenbesitzer Klaus Apel hat im Ausschuss einen Kurzauftritt. 7) Er weiß nichts vom Besuch der Staatsschützer. Zschäpe will er vor dem Zeitpunkt der Vermietung nicht gekannt haben. Vom Sprengstoffund in seiner Garage habe er erst 2011 erfahren. Wie glaubwürdig ist das? Der Ausschuss schafft es wirklich, ein mögliches Verwandtschaftsverhältnis zwischen Klaus Apel und Beate Zschäpe und den Verbleib des Garagenmietvertrages nicht zu klären.

Gestützt wird die Vermutung wenigstens einer Vorwarnung dagegen durch die Aussage des Jenaer Kripobeamten Thomas Matczak. Er beobachtet am Durchsuchungstag, wie Uwe Böhnhardt eine Tasche in sein Auto packt. Vor der Schäferkommission ist er sich sicher, dass Böhnhardt zum Zeitpunkt der Funde in Garage 5 noch nicht „geflohen“ sei. Später relativiert er das auf fast sarkastische Weise: „Ich bin verunsichert, weil eine Vielzahl von Beamten eine andere Aussage getroffen haben.“8)

Doch selbst wenn wir an den Ursprung der Tragödie Beate Zschäpes gelangen, wenn die Umstände des „Abtauchens“ der drei Jenaer geklärt werden, wissen wir weder, wer Enver Şimşek, Theodoros Boulgarides und all die anderen ermordete, noch was mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt geschehen ist. Die Bezichtigungen der Zschäpeaussage tragen nichts zur Aufklärung von realen Verbrechen und ihrer staatlichen Verwertung bei.


Fußnoten und Anmerkungen:

1) http://www.spiegel.de/panorama/justiz/eltern-des-rechtsextremen-nsu-terroristen-boehnhardt-sprechen-ueber-ihren-sohn-a-828410.html

2) http://www.mdr.de/thueringen/zwickauer-trio770.html

3) http://www.welt.de/politik/deutschland/article149803799/Dokumentation-Die-Aussage-der-Beate-Zschaepe.html

4) https://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/veranstaltungen/120515_schaefer_gutachten.pdf

5) Sitzungsprotokoll Thüringer NSU-PUA vom 15. April 2013
http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:5C6wpesWP3sJ:haskala.de/2013/04/15/ua-15-april-2013/+&cd=5&hl=de&ct=clnk&gl=de

6) https://hajofunke.wordpress.com/2013/07/02/ticker-zum-nsu-untersuchungsausschuss-1-juli-2013-erfurt/

7) ebd.

8) Sitzungsprotokoll Thüringer NSU-PUA vom 15. April 2013
http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:5C6wpesWP3sJ:haskala.de/2013/04/15/ua-15-april-2013/+&cd=5&hl=de&ct=clnk&gl=de

Black Box

               blackbox

lichtung

manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum

Ernst Jandl, 1966

 

Erstaunlich: Jene Werkzeuge, mit denen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ihre Morde und Banküberfälle planten und spurlos ausführten, ihre nationalsozialistischen Denkorgane also, deren Gedankenausscheidungen unsere Experten nach allen Regeln der Kunst untersucht und seziert haben, lagen im Stregdaer Wohnmobil noch unbeachtet unterhalb der Küchenzeile, als Leichen und Waffen längst asserviert und herausgebracht waren. Und auch später kümmerte sich niemand darum.

01_womo_gehirn_uebersicht 02_womo_gehirn_detail

Abb. 01 (links): Gehirnmasse linke untere Bildecke;
Übersichtsaufnahme der KPI Gotha, Aktenteil 4.1.6, S. 256
Abb. 02 (rechts): Gehirnmasse am linken Bildrand,
Detailaufnahme aus Band 4.1.9, S. 454

In den Kommentarspalten des Bloggers von „friedensblick.de“ entspann sich vor einigen Wochen eine Diskussion über die Lage dieser Gehirnmassen. Denn es ergeben sich einige Probleme. Zu welchem der beiden Toten gehören sie und was sagt die Auffindesituation über das Geschehen im Wohnmobil aus? Lässt sich anhand der Zellmasse etwas über die Flugbahnen der Geschosse sagen? Und passt ihre Lage zur Tathergangshypothese des BKA?

User Johannes steigt mit einer Hypothese ein, die mehrere Fragen zur Ballistik der Schüsse und den Ablauf der suizidalen „NSU-Selbstenttarnung“ anreißt.1)

Was definitiv auch n i c h t passt, und wohl bisher niemanden aufgefallen ist, sind die beiden Grosshirnmassen die am Wohnmobilboden im Küchen/Herd Bereich waren und fotografiert wurden. Sie lassen rückschliessen (falls die beiden Grosshirnanteile jeweils zu Böhnhard und Mundlos gehörten, dass die Krönleinschüsse (Böhnhard in die Schläfe, Mundlos in den Mund) den beiden Opfern am Boden liegend mit den Köpfen im Bereich der Fundstelle der deutlich sichtbaren Grosshirnanteile zugefügt wurden.

Das ist ein wichtiger Ansatz, auch wenn sich das Vermutete nicht rückschließen lässt. Wir wissen weder wessen Gehirnmasse da liegt, noch wie, wann und durch wen sie dahin gelangte. Von Schussdefekten im Boden des Wohnmobils ist nichts bekannt. Kriminaldirektor Menzel und der Eisenacher Kriminalist Lotz hatten sich nach erster Inaugenscheinnahme auf suizidale Handlungen im Wohnmobil festgelegt, es gab keine Ermittlungen eines Tötungsverbrechens.

Wir können aber jene BKA-Hypothese, die sich als quasioffizielle Darstellung festgesetzt hat, auf Wahrscheinlichkeit hin überprüfen und die Diskussionsgrundlage zum Geschehen im Wohnmobil erweitern.

Die Überlegungen sollen wie folgt gegliedert werden:

  1. BKA-Hypothese und Ausgangslage
  2. Auffindesituation Wohnmobil
  3. Mögliche Positionen und Körperhaltungen von B. und M. in Verbindung mit Schusskanälen, Geschossflugbahnen, Schussdefekten im Dach und Lage der aufgefunden Leichen
  4. Lage der Gehirnmasse, Auffindesituation der Leichen und Spurenbilder (Blutanhaftungen)
  5. Fazit

1. BKA-Hypothese und Ausgangslage

In den vom Arbeitskreis NSU veröffentlichten Aktenteilen2) stellt Kriminaloberkommissar Burkhardt im Vermerk vom 21. November 2011 auf Basis der damaligen Ermittlungsergebnisse eine Hypothese auf, die Kriminaldirektor Menzels unmittelbare und ausschließliche Annahme suizidaler Handlungen ohne Beteiligung Dritter vom 4. November 2011 untermauert.3) Obwohl ausdrücklich im Konjunktiv gehalten, wird dieser Hergang fast unverändert so auch öffentlich kommuniziert. Alternative Erklärungsansätze sind zumindest im Umfeld der bekanntgewordenen Ermittlungen nicht ernsthaft weiterverfolgt worden.

Das ist bemerkenswert, unter anderem deshalb, weil der Konjunktiv „könnte“ im BKA-Vermerk durch Fettstellung und Unterstreichung doppelt hervorgehoben ist und weil beispielsweise die beiden Polizisten Seeland und Mayer Schüsse aus dem Wohnbereichsfenster in Richtung Häuserfront dementierten.

Anhand der Spurensitutation im Inneren des Wohnmobils, der Umstände ausserhalb des Wohnmobils und der Zeugenaussagen könnte es sich im Wohnmobil wie folgt zu getragen haben.

Hypothese:

* Die Täter registrieren innerhalb des Wohnmobils, dass sich Polizeibeamte vor dem Wohnmobil befinden. […]

* BÖHNHARDT eröffnet durch das Fenster des Wohnmobils mit der Maschinenpistole das Feuer auf die Beamten. Das Projektil verfehlt die Beamten und geht zwischen dem Papiercontainer und dem abgeparkten KFZ in die Wand (siehe lila-gestrichelte Linie im Schaubild). + Schuss 1, 9mm Hülse […]

* Die Waffe des BÖHNHARDT erleidet nach einem Schuss einen Defekt (Patronenklemmer) und wird von ihm auf die Bank unter dem Fenster gelegt. + Auffindeort Maschinenpistole, Zustand Maschinenpistole, Auffindesituation Leiche BOHNHARDT

* BÖHNHARDT kommt durch einen Schuss der Winchester Pumpgun in die linke Schläfe zu Tode. + Obduktionsergebnis Böhnhardt, Schuss 2, erste Brennecke-Hülse

Vermutlich wurde der Schuss durch MUNDLOS abgefeuert

noch keine Nachweise hierfür verfügbar, jedoch aufgrund der Umstände (schnelle

Schussfolge zwischen erstem und zweiten Schuss, die je mit verschiedenen Waffen durchgeführt wurden) ist es wahrscheinlicher als eine Selbsttötung mit der Pumpgun (umständlich sich mit einer langläufigen Waffe in die Schläfe zu schießen).

* MUNDLOS entfacht mit Papier ein Feuer im Wohnwagen. + BOHNHARDT war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben (Kein Rauch in der Lunge). Der Brandgutachter geht durch eine Entzündung mit Papier in der Mitte des Wohnwagens aus.

MUNDLOS setzt sich im hinteren Teil des Wohnmobils auf den Boden, stellt die Pumpgun auf den Boden, steckt sich die Waffe in den Mund und tötet sich selbst.

Obduktionsergebnis MUNDLOS, Zeugenaussage bzgl. wegfliegender Deckenverkleidung im hinteren Teil des Wohnmobils, zweite Brennecke-Hülse, Auswurf der Hülse aus der Pumpgun nur möglich durch einen Schuss von unten nach oben

Wir konzentrieren uns auf die Aussagen zur Abfolge der Schüsse, des erweiterten Suizidgeschehens und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zur Ballistik und räumlichen Situation im Wohnmobil. Die Schussdefekte im Fahrzeugdach werden einbezogen. Alle sonstigen Widersprüche bleiben im Wesentlichen unberücksichtigt.

Die beiden Leichen im Wohnmobil wurden anhand von Fingerabdrücken und DNA-Vergleich als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt identifiziert. An der Zuverlässigkeit dieser Identifizierung bestehen nach Auffassung des Verfassers zwar weiter begründete Zweifel. Die Namen Böhnhardt (Asservatkomplex 1.1) und Mundlos (Asservatkomplex 1.2) werden dennoch aus Gründen der leichteren Zuordnung der Ermittlungsergebnisse verwendet.

Der Jenaer Rechtsmediziner Dr. Reinhard Heiderstädt beschreibt im Münchner NSU-Prozess Böhnhardts Kopfverletzung so, dass der sogenannte Krönleinschuss die Hirnmasse fast vollständig aus dem Schädel herausgeschleudert habe. Im Schädel seien lediglich noch etwa einhundert Gramm Gehirn verblieben (Anm. Die Gesamtmasse eines männlichen Gehirns hat ein Gewicht von etwa 1.400 g). Böhnhardt sei sofort handlungsunfähig gewesen. Bei Mundlos habe es eine große Aufreißung der hinteren Kopfoberseite gegeben. Auch hier sei das Gehirn bis auf fünfhundert Gramm Resthirn aus dem Kopf herausgeschleudert worden.4)

2. Auffindesituation Wohnmobil

Die als Uwe Böhnhardt identifizierte Leiche befand sich im mittleren Teil des Wohnbereiches, Uwe Mundlos im hinteren Teil. Beide Personen wurden nach Angaben der Ermittler durch je einen Kopfschuss mit einem Brenneke Flintenlaufgeschoss aus einer Pumpgun Winchester Defender 1.300 getötet.

Beide Schüsse soll Uwe Mundlos abgegeben haben; auf Uwe Böhnhardt durch Nahschuss in die linke Schläfe mit einem Austritt des Geschosses im Bereich der rechten Schläfe bzw. oberhalb des rechten Ohres. Angenommen werden kann deshalb ein Schusswinkel von ca. 5° bis 10°. Dem Kopfschuss auf Böhnhardt wird der Schussdefekt im vorderen Wohnmobildach zugeordnet (BT 2).

08_womo_schussdefekte_dach

Abb. 03: Schussdefekte im Wohnmobildach, im Aktenkonvolut vorn als BT02, hinten BT01 bezeichnet

Bei der anschließenden Selbsttötung soll Mundlos den Schuss von vorn in den Mund mit Geschossaustritt im hinteren Schädelbereich ausgelöst haben. Hier darf ein Schusswinkel von etwa 45° angenommen werden. Ein wesentlich steilerer oder flacherer Schusswinkel würde eine unnatürliche Zwangshaltung von Waffe, Kopf und Körper erfordern, für die situativ keine Notwendigkeit bestand.

Der Arbeitskreis NSU hat herausgearbeitet,5) dass die öffentlich gewordenen Fotodokumente Abweichungen der Auffindesituation zeigen insbesondere bei der Lage der als Uwe Böhnhardt identifizierten Leiche. Der Kopf des Opfers im Vordergrund schließt in Abb. 4 mit der Rücklehne der Sitzbank ab. In Abb. 5 ist die Lage des Kopfes in Richtung Fahrerkabine versetzt und schließt etwa in der Mitte der Sitzbanktiefe ab.

03_womo_uebersicht_leichen 04_womo_uebersicht_leichen

Abb. 04: Aufnahme mutmaßlich in Stregda; Abb. 05: Aufnahme mutmaßlich nach Abtransport des Wohnmobils; (zum Vergrößern anklicken)

Es ist anhand der Lichtverhältnisse und der durchs Seitenfenster erkennbaren Umgebung überzeugend dargestellt worden, dass einige Aufnahmen am Auffindeort in Eisenach-Stregda entstanden, andere mutmaßlich in der Fahrzeughalle der Abschleppfirma, in die das Wohnmobil am 4. November 2011 verbracht wurde.

Widersprüchliche Zeugenaussagen (Feuerwehr, Polizei) in Bezug auf sichtbare Verletzungen und Körperpositionen bleiben hier unberücksichtigt. In Abb. 4 ist die Lage Böhnhardts wegen herabgefallenen Deckenmaterials nicht erkennbar. Abb. 5 zeigt eine vermutlich später entstandene Aufnahme. Die Dachverkleidung ist offenbar entfernt worden, Böhnhardt liegt auf der linken Bauchseite. Links neben Böhnhardts Kopf, also auf der Seite der Geschosseintrittswunde, ist deutlich Gehirnmasse zu erkennen. Die Austrittswunde, aus der das Gehirn herausgeschleudert wurde, befindet rechts (hier in Richtung Sitzgruppe). Ein schweres Problem, wie wir sehen werden.

Um das zu verdeutlichen, wurde die Lage der Leichen schematisch in einen Grundriss gezeichnet und in eine Seitenansicht übertragen (Abb. 6). Gleiches gilt für die Position der Geschossaustrittslöcher im Wohnmobildach. Die Körpergrößen von Mundlos und Böhnhardt wurden als gerundete Werte berücksichtigt (Asservatekomplex 1.2, UM ca. 180 cm, Asservatekomplex 1.1, UB ca. 185 cm). Für alle grafischen Darstellungen gilt, dass Größenverhältnisse der Zweckmäßigkeit der Darstellung entsprechend beachtet wurden.

05_womo_uebersicht_leichen_grafikAbb. 06: oben: Lage der Leichen in Aufsicht und Lage der Leichen (Asservatkomplexe 1.1 – Böhnhardt, 2.1 – Mundlos); unten: seitliche Darstellung (Beifahrerseite); Angabe der Schussaustritte im Dach

Es herrscht teilweise Unklarheit darüber, ob Uwe Mundlos eine überwiegend sitzende oder liegende Haltung im hinteren Teil des Wohnbereiches einnimmt. Das rechte Knie von Mundlos schließt etwa in der Mitte der Kühlschrankverkleidung ab. Der Abstand bis zum rückwärtigen Bett beträgt etwa 110 cm ohne die Unterschenkellänge. Der Kopf der Leiche schließt in der Höhe mit der leicht erkennbaren Bettrahmenfront ab, das sind ca. 40 cm. Diese beiden Maße belegen eine liegende Haltung der Leiche. Der Eindruck einer „sitzenden“ Position entsteht durch Aufnahmewinkel und perspektivische Verkürzung.

Soweit die Ausgangssituation.

3. Mögliche Positionen und Körperhaltungen von B. und M. in Verbindung mit Schusskanälen, Geschossflugbahnen, Schussdefekten im Dach und Lage der aufgefunden Leichen

Wir untersuchen zunächst die Schussabgabe auf Uwe Böhnhardt. Laut BKA-Hypothese hielt sich U.B. an der Sitzgruppe auf mit Blickrichtung zur gegenüberliegenden Straßenseite. Dort sind nach eigenen Angaben auch die Polizisten in Deckung gegangen. Dem Schuss auf Böhnhardt durch Mundlos wird der Schussaustritt BT02 im vorderen Dachaufbau zugeordnet. Eine andere Zuordnung ist vor allem wegen der Lage des toten Mundlos nicht plausibel darstellbar.

Der letale Schuss erfolgte nach Hypothese aus einem Vorderschaftsrepetiergewehr Pumpgun Winchester 1300 Defender Kaliber 12. Verwendet wurden ausweislich BKA-Akten Brenneke Flintenlaufgeschosse mit einer Länge von 62 mm. Ein Schusswinkel von ca. 5° bis 10° ergibt sich aus Eintritts- und Austrittswunde in Böhnhardts Schädel. Eine möglicherweise geringfügige Ablenkung des Geschosses innerhalb des Schusskanals ist nicht einbezogen.

Wir nehmen zunächst der Hypothese folgend eine geduckte Haltung Böhnhardts an, der aus dem Seitenfenster (Fahrerseite) auf die Polizisten geschossen haben soll oder dies versuchte. Neben der Geschossflugbahn wird die mögliche Fallrichtung Böhnhardts gezeigt. Böhnhardt befand sich selbst bei geduckter Haltung in relativ instabiler Position. Der Schussaufprall des Flintenlaufgeschosses hätte aufgrund hoher kinetischer Energie mit Wahrscheinlichkeit ein Abkippen in Richtung Fahrerzelle bewirkt.

09_womo_ub_01Abb.07: Geschossflugbahn bei kauernder Körperhaltung Böhnhardts und ungefähre Position des Dachdefektes; angenommene Sturzrichtung Böhnhardts

Zwei gravierende Widersprüche zur BKA-Hypothese werden erkennbar: Bei einer hockenden bzw. kauernden Körperhaltung Böhnhardts ist wegen des Schusskanalwinkels zwischen Eintritts- und Austrittswunde der Schussdefekt im vorderen Wohnmobildachaufbau nicht darstellbar. Die zu erwartende Sturzrichtung aufgrund der Geschossaufprallwucht entspricht nicht der Auffindsituation, die eine Lage zeigt, bei der Böhnhardt in Richtung des Schützen Mundlos gefallen ist. Im Falle eines Sturzes in Richtung Mundlos hätten die engen räumlichen Verhältnisse die anschließende Brandlegung an der Sitzgruppe erheblich erschwert.

Alternativ ist zu untersuchen, ob eine andere Körperhaltung Böhnhardts das Problem des Schussaustritts im Dachbereich lösen kann. Die nächste Abbildung zeigt sowohl Böhnhardt als auch den Schützen Mundlos in stehender Position.

10_womo_ub_02Abb. 08: Geschossflugbahn bei stehender Körperhaltung Böhnhardts und ungefähre Position des Dachdefektes; angenommene Sturzrichtung Böhnhardts

Beide bereits beschriebenen Widersprüche zur BKA-Hypothese treten erneut auf: Auch bei stehender Körperhaltung Böhnhardts wird wegen des Schusskanalwinkels zwischen Eintritts- und Austrittswunde der Schussdefekt im vorderen Wohnmobildachaufbau verfehlt.

Auch bei diesem Szenario ist davon auszugehen, dass der mutmaßlich überraschte Böhnhardt der Wucht des Geschossaufpralls keine dem Schussaufprall entgegengesetzte Bewegungen ausführt und deshalb in Schussrichtung fällt. Eine entgegengesetzte Kipprichtung ist nicht zuletzt fragwürdig, weil im beengten Gang des Wohnbereiches die Leiche Böhnhardts den Zugang zur Brandlegung stark erschwert hätte. Nach Darstellung der Polizisten war der gesamte von außen beschriebene Ablauf bis zur Rauchentwicklung zeitlich dicht gedrängt.

Bei der anschließenden Selbsttötung von Mundlos geht die BKA-Hypothese davon aus, dass sich Mundlos, nachdem er den Brand legte, in den hinteren Bereich setzte und die Waffe von unten nach oben gerichetet in den Mund schoss. Eine natürliche Körperhaltung würde auf einen Schusswinkel von etwa 45° als plausibel erscheinen lassen.

11_womo_um_01Abb. 09: Geschossflugbahn bei sitzender Körperhaltung von Mundlos und ungefähre Position des Schussdefektes im Dach; mit Sturzrichtung

Die mögliche Sitzposition von Mundlos im hinteren Wohnbereich wird nach vorn durch die Lage der Leiche Böhnhardts, nach hinten durch das hochgeklappte untere Bett begrenzt. Um die Geschossflugbahn mit Schussdefekt BT01 sowie die Endposition der Leiche nach Möglichkeit in Einklang zu bringen, wurde die Sitzposition beim Suizid so weit wie möglich an die Leiche Böhnhardts verlagert. Dennoch gibt es eine erhebliche Abweichung zwischen erwartetem Schussaustritt im Dachbereich und dem tatsächlichen Schussdefekt.

Nehmen wir ein hochgeklapptes Bett mit textiler bzw. kunststoffgefüllter Matratze und einem Lattenrost aus Holz an, erscheint ein Ab- bzw. Rückpraller unwahrscheinlich.6) Eine signifikante Ablenkung des Geschosses innerhalb des kurzen Schusskanals im Schädel zwischen Eintritt und Austritt ist in Bezug auf die Austrittswunde im hinteren Schädel unwahrscheinlich.

Das erwartete Spurenbild wird weiter unten besprochen. Es ist in der folgenden Darstellung alternativ zur BKA-Hypothese zu untersuchen, ob eine stehende Schussposition zumindest den Schussaustritt im Dach erklären kann.

12_womo_um_02Abb. 10: Geschossflugbahn bei stehender Körperhaltung von Mundlos und ungefähre Position des Dachdefektes; mit Sturzrichtung

Hier ergibt sich theoretisch eine mögliche Übereinstimmung zwischen Geschossflugbahn und Position des Schussdefektes im Wohnmobildach. Allerdings ließe der abschließende suizidale Akt eher eine „kontemplative“ und zurückgezogene Position, etwa der Sitzhaltung erwarten, statt angespannten Stehens mit Blickrichtung auf die Leiche Böhnhardts.

Eine Notwendigkeit, die Selbsttötung ohne Rücksicht auf den Umständen entsprechende selbstgewählte Bedingungen eines endgültigen Abschieds schnellstmöglich durchzuführen, bestand nicht.

4. Lage der Gehirnzellmasse, Auffindesituation der Leichen und Spurenbilder (Blutanhaftungen)

Wir legen weiter die BKA-Hypothese zum Geschehen im Wohnmobil trotz der gezeigten erheblichen Widersprüche bei Geschossflugbahnen, Schussdefekten im Dach sowie Position und Lage der Leichen zugrunde. Es ist zu klären, ob und wie die Kopfschussverletzungen (Krönleinschüsse) mit der Lage der Gehirnmasse(n) in Einklang zu bringen sind.

13_womo_gehirn_um_01

Abb. 11: Deutlich erkennbar drückt der rechte Oberschenkel von Mundlos gegen die Kühlschrankfront. Ein Verrutschen der Gehirnzellmasse wird blockiert.

15_womo_gehirn_ub_02

Abb. 12: In Richtung Fahrerkabine verhindern die Leiche Böhnhardts sowie Deckenverkleidung ein Verrutschen der Gehirnmasse

Charakteristisch für die Lage der Gehirnzellmasse ist, dass sie durch beide Leichen, herabgefallenes Dachmaterial und die seitliche Begrenzung durch Küchenzeile und Sitzbank fixiert wird. Ein Verrutschen der herausgeschleuderten Gehirnteile über größere Distanz durch Löscharbeiten der Feuerwehr ist nicht plausibel. Die Ebene der Wohnbereichsgrundfläche im Wohnmobil ist zur Fahrerseite hin abschüssig, eine Veränderung der Lage hätte also eher in Richtung Fahrerkabine erfolgen müssen. Das würde besonders im Fall Böhnhardt die BKA-Hypothese noch mehr schwächen.

14_womo_gehirn_ub_01Abb. 13: Bewegungsrichtung der herausgeschleuderten Gehirnmasse bei Böhnhardt mit Schussrichtung nach vorn

Der Schuss wurde Böhnhardt in die linke Schläfenseite beigebracht, die Schussaustrittsverletzung befindet sich auf der rechten Kopfseite. Die Grafik macht deutlich: Der Blut- und Zellgewebeaustritt auf der rechten Kopfseite Böhnhardts hätte bei Blickrichtung Böhnhardts zur gegenüberliegenden Hausseite mit signifikanten Blut- und Gewebespuren in Richtung Fahrerkabine erfolgen müssen. Die mutmaßliche genaue Endposition der Gehirnmasse ist dafür unerheblich.

 

07_womo_blutanhaftungen_vorn

Abb. 14: Bluttypische Anhaftungen am Zugang zum vorderen Wohnbereich auf der Beifahrerseite

Außer wenigen Blutanhaftungen an Türinnenseite und Fahrzeugkabinenrückseite ist jedoch kein nennenswertes, eventuell konzentrisch verlaufendes Spurenbild dokumentiert, das dem Auftreffen herausgeschleuderten Blutes und Gehirnteile nachvollziehbar entspricht (etwa am Beifahrersitz). Es ergibt sich außerdem keine plausible Möglichkeit, dass Schussverletzung und Lage der Gehirnmasse in Auffindessituation in Einklang zu bringen sind.

Ähnlich widersprüchlich stellt sich das Spurenbild bei Uwe Mundlos dar. Dabei ist zu vernachlässigen, ob man von einer sitzenden oder stehenden Schussposition ausgeht.

16_womo_gehirn_um_02Abb. 15: Bewegungsrichtung der herausgeschleuderten Gehirnmasse bei Mundlos mit Schussrichtung nach hinten-oben, mögliche Endposition der Gehirnteile im Vergleich zur Auffindeposition

Mundlos musste zwingend den eigenen suizdalen tödlichen Schuss in Richtung Fahrzeugheck abgeben, so dass das herausgeschleuderte Gehirn ebenfalls in Richtung Fahrzeugende bewegt wurde. Gehirnmasse, die beim Austritt in größeren Teilen erhalten blieb, wäre mit großer Wahrscheinlichkeit durch den nach hinten kippenden Mundlos bedeckt oder bei späterem Herabfallen des Gehirngewebes aufgefangen wurden. Die Leiche Mundlos hätte durch ihre Lage ein Verrutschen der Hirnmassen zusätzlich blockiert.

Ein plausibles Szenario wird hier wie bei Böhnhardt durch das fehlende Spurenbild signifikanter Blut- und Zellgewebeanhaftungen im Bereich unterhalb des Schussdefektes im hinteren Dach bzw. auf der textilen Bettverkleidung erschwert. Die Fotodokumente weisen außer einigen zufällig wirkenden Blutspritzern im unteren Türbereich der Nasszelle keine der Schwere der Schussverletzung entsprechende Verteilung von Blut- und Gewebeteilen aus. Bei Mundlos wären aufgrund des Kontaktes mit dem hochgeklappten Bett insbesondere Rutschspuren durch Heruntergleiten des tödlich Verletzten in die Endposition zu erwarten.

18_womo_gehirn_um_04 17_womo_gehirn_um_03

Abb. 16 und 17: Links: Auffindesituation der Leiche Mundlos, hervorgehoben wenige bluttypische Anhaftungen im unteren Bereich der Badtürinnenseite; rechts: Bereich, für den die Verteilung von Blut- und Gewebespuren im Einklang mit der Schuss- und Fallrichtung Mundlos wahrscheinlich wäre

5. Fazit

Die Lage der Gehirnmassen sowie die Position der Leichen und Schussdefekte im Wohnmobildach ist für beide aufgefundenen Leichen nicht mit der Tathergangshypothese des BKA in Übereinstimmung zu bringen. Es ergibt sich ausgehend von den Schussein- und -austrittsverletzungen derzeit kein Szenario, das Auffindesituation der Leichen, der Gehirnmassen und der Schussdefekte im Dach plausibel erklärt. Lediglich für Uwe Mundlos ist bei hypothetischer Annahme eines Suizides in stehender Position der Schussaustritt im hinteren Bereich des Wohnmobildaches nachvollziehbar.

Es konnte gezeigt werden, dass die vom BKA aufgestellte Hypothese mehrere schwerwiegende Widersprüche der Auffindesituation nicht auflösen kann. Dazu gehören Probleme der Geschossflugbahnen, die Lage der Gehirnmasse in Abhängigkeit der Schussverletzungen oder die Lage der Leiche Böhnhardts.

Die BKA-Hypothese ist damit in wesentlichen Teilen nicht haltbar und muss durch neue Erklärungsansätze ersetzt werden. Der Ablauf des Geschehens im Wohnmobil am 4. November 2011 bleibt weiter ungeklärt. Er ist jedoch von zentraler Bedeutung für die Aufklärung des gesamten NSU-Komplexes u.a. in Bezug auf Todesumstände der aufgefundenen Leichen, die Klärung behördenseitigen Vorwissens und mutmaßliche Tatortveränderung.

 


Fußnoten und Anmerkungen

1) http://friedensblick.de/17619/tatort-eisenach-stregda-thueringer-nsu-ausschuss-deckt-immer-neue-fragwuerdigkeiten-auf/#comment-4872

2) Band 4.1, Ordner 1, Allgemeines, Aktenvermerk BKA, nicht paginiert, PDF-Dokument S. 20

3) eda., siehe Einsatzverlaufsbericht Lotz, S. 3 von 5, PDF-Dokument S. 25

4) https://www.nsu-watch.info/2014/06/protokoll-114-verhandlungstag-21-mai-2014/

5) http://arbeitskreis-n.su/blog/2015/11/05/4-11-2011-womo-fotobeweis-badwaffenfoto-wurde-nach-entfernung-der-leichen-aufgenommen/

6) vgl. Rückpralluntersuchung von Baumstämmen und Mauern bei Flintenlaufgeschossen, Pkt. 8.2 bes. 45°, und Ergebnisse 8.3.1 und 8.3.2

Das verwendet Fotomaterial des Auffindeortes Wohnmobil stammt aus den öffentlich zugänglichen Aktenteilen.

Untot in Stregda

              thomas_gubert

Sie glauben wohl nicht, dass die Polizei
die Feuerwehr ans Messer liefert oder
in eine Situation lässt, wo geschossen wird!?“
Polizeirat Thomas Gubert
ehem. Leiter der Polizeiinspektion Eisenach

Das muss man ihnen lassen: hartnäckig sind sie. Zum dritten Mal schon hat der Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss versucht, das Geschehen am 4. November 2011 in Eisenach-Stregda aufzuklären. Wieder sammelten die Parlamentarier Details, Bilder und Aussagen, um endlich zu verstehen, wie sich die vorgeblichen Rechtsterroristen Böhnhardt und Mundlos unter Aufsicht und begleitet von Polizei, Feuerwehr und Presse „selbst enttarnten“ und was danach passierte.

Das Ergebnis der Ausschusssitzung vom 27. August ist mager. Gravierende Widersprüche können die Ausschussmitglieder weiter nicht auflösen. Den Befragten gegenüber verzichten sie auf einfachste Aussagenlogik. Es scheint, als kapitulierten Dorothea Marx und ihre Detektive vor einer aufgehäuften Masse an Einzelheiten, als haben sie den Blick fürs Wesentliche verloren und das Extrahieren von Zusammenhängen aufgegeben.

Wichtige Spuren, wie die Zeugenaussagen zum „dritten Mann“ werden nicht weiterverfolgt, logische Brüche, wie das Vordatieren beim Beschaffen der Vermisstenakte Mundlos durch Polizeichef Menzel, ignoriert, Merkwürdigkeiten, wie das Fehlen von Böhnhardts Fingerabdrücken im und am Wohnmobil gar nicht erst thematisiert. Bisher jedenfalls.

Zur Zeugenbefragung geladen waren nach Erfurt eine Fotojournalistin, der damalige Amtsleiter der Eisenacher Berufsfeuerwehr, ein Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr, die Rechtsmedizinerin Prof. Else-Gitta Mall und Mitarbeiter der Abschleppfirma, die den mutmaßlichen „mobilen Tatort“ wegschaffte.

Kein Auftrag, keine Erinnerung

Große Hoffnung hatte die Aufklärergemeinde in die Befragung der Leiterin der Jenaer Rechtsmedizin, Prof. Mall, gesetzt. Sie wurde zugleich auch die schwerste Enttäuschung. Das einzige, was Frau Mall zuverlässig erinnern konnte, waren Name, Alter und Familienstand.

Der Rest war Amnesie. An den Fundort der Leichen in Stregda geriet sie mehr zufällig, zur Lage, Verletzungen und Todesumständen der Leichenfunde im Wohnmobil wusste sie wenig bis nichts zu sagen. Einen Untersuchungsauftrag gab es nicht, schriftliche Aufzeichnungen fertigte ihr Ärzteteam nicht an, nach einer halben Stunde Wartens am Wohnmobil zog Prof. Mall mit ihren Kollegen unverrichteter Dinge ab.

Den nahezu vollständigen Gedächtnisverlust Malls dokumentiert der Sitzungsbeobachter und Blogger Querläufer.1) Ungewöhnlich ist der Blackout allemal: Die schweren Kopfverletzungen durch großkalibrige Nahschüsse sollten auch bei einer routinierten Rechtsmedizinerin bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Umso mehr, als die späteren Entwicklungen und Berichte zum „NSU“ einen prägenden Zusammenhang herstellten.

Um Prof. Malls Erinnerungen zu reaktivieren, wäre ein Abgleich der Fotoaufnahmen des Feuerwehreinsatzleiters oder des Kriminalbeamten Lotz mit späteren Aufnahmen aus der Halle hilfreich gewesen.

Hier aber gibt es das nächste Problem: Die Einziehung der Speicherkarte durch Polizeidirektor Menzel wurde vom Ausschuss zwar kritisiert, die viel wichtigeren Fotodokumente selbst scheinen indes noch immer nicht vorzuliegen. Wer ansonsten noch welche Fotoaufnahmen in Stregda und anschließend in der Fahrzeughalle machte, bleibt bisher ebenso ungeklärt und ungeordnet.

Die Passivität Prof. Malls und Dr. Heiderstädts in Stregda wurde damit begründet, dass zunächst die Spurensicherung den mutmaßlich Tatort untersuchen sollte. Das mag zwar einleuchten. Zugleich aber äußerte die Rechtsmedizinerin Verständnis, dass man sie direkt hinzuzog. Im Falle eines Tötungsdeliktes könnten zeitnahe Temperaturmessungen an den Leichen den Todeszeitpunkt bestimmen.

Genau das jedoch unterblieb. Auch formal wurde der Tod der unbekannten Personen nach derzeitiger Informationslage weder von einem Notarzt, noch von den eintreffenden Rechtsmedizinern festgestellt. Grundsätzliche Zweifel an der dargestellten Situation im Wohnmobil sind durch Prof. Mall jedenfalls nicht glaubwürdig ausgeräumt worden.

Was Frau Mall in Stregda noch nicht wissen konnte, hat der Untersuchungsausschuss in seinem Abschlussbericht zum 1. NSU-Untersuchungsausschuss veröffentlicht. Ausweislich der Sektionsprotokolle werden für beide Leichen keine Rußpartikel in der Lunge nachgewiesen.2)

III. Todesursache
Kopfdurchschussverletzung

Zur Sektion gelangte die Leiche eines zunächst unbekannten, zwischenzeitlich als Uwe Böhnhardt identifizierten Mannes. Die oberflächlichen großflächigen Hautverbrennungen an Rumpf und Gliedmaßen sind mit der Auffindesituation in einem ausgebrannten Wohnmobil vereinbar. Hinweise auf eine Rußeinatmung oder ein Rußverschlucken wurden nicht festgestellt.

[…]

III. Todesursache
Kopfdurchschuss (Mundschuss)

Zur Sektion gelangte die Leiche des 38-jährigen Mannes Uwe Mundlos. Die nachgewiesenen oberflächlichen und großflächigen Hautverbrennungen an der linken Hand und an den Beinen sind mit der Auffindesituation in einem ausgebrannten Wohnmobil vereinbar. Hinweise auf eine Rußeinatmung oder ein Rußverschlucken wurden nicht festgestellt.

Es ist also zur Stunde weder geklärt, in welchem Zustand sich welche Personen im Wohnmobil befanden, als die Ärzte Prof. Mall und möglicherweise Dr. Heiderstädt einen Blick ins Wohnmobil warfen. Noch wissen wir, warum zwar Sanitäter vor Ort waren, aber ein Notarzt bei einem Brand mit Gefährdung von Menschenleben fehlte und auch nicht hinzugezogen wurde, als sich der Verdacht von involvierten Fahrzeuginsassen bestätigte.

Gesichert ist, dass ein Herr Hennig um 12.16 Uhr „beim Patienten“ eintraf und um 12.22 Uhr „keine medizinischen Maßnahmen“ mehr erfolgten. Dem gegenüber allerdings steht eine Meldung der Polizei von 12.33 Uhr:3)

Die Abg. König (DIE LINKE) macht einen Vorhalt aus Band 9 der Akte, Polizeidirektion Gotha vom 4.11.2011. In einer Meldung von 12.33 Uhr heißt es: eine Leiche im Wohnwagen, eine zweite möglicherweise auch.

Die Abg. König (DIE LINKE) meint, dass da eventuell noch gar nicht klar war, ob die 2. Person tot ist, sondern vielleicht noch lebt.

Ob Sanitäter direkt im Wohnmobil lebensrettende Maßnahmen durchführten, werden wir voraussichtlich in der nächsten Ausschusssitzung erfahren. Ein Blick ins Fahrzeug allein dürfte auch bei der im Gang liegenden Person, die mit Brandschutt des herabgefallenen Fahrzeugdaches bedeckt war, nicht genügt haben, um eine medizinische Erstversorgung zu verweigern.

Bergungsversuche der zunächst mutmaßlich Verletzten durch Einsatzkräfte der Feuerwehr gab es im krassen Widerspruch zu den Prioritäten der Lageerkundung bei Brandeinsätzen offensichtlich nicht.

Eingezogen, Punkt – aus – Ende

Sieben Mal äußerten Zeugen in der Ausschusssitzung Ende August über die Besonderheiten des Einsatzes und der folgenden Entwicklungen, so etwas noch nie erlebt zu haben.

Wenn wir den Leichentransport eines nicht vollständig abgekühlten „mobilen Tatortes“ als Merkwürdigkeit übergehen, mit dem ungesichert eine Handgranate befördert worden sein soll, oder den angeblichen Besuch des sächsischen Innenministers in der Fahrzeughalle der Abschleppfirma Tautz und vieles andere, dann bleibt noch immer dringend klärungsbedürftig die Aussage des ehemaligen Amtsleiters für Brand- und Katastrophenschutz in Eisenach, Burkhard Steffan zur Gefährdungssituation für die Einsatzkräfte der Feuerwehr.

steffan_claus
Brandoberamtsrat Burkhard Steffan
und sein Nachfolger Brandoberinspektor Jens Claus

Hier läuft alles auf das sogenannte Aufklärungsgespräch hinaus, an dem im Nachgang des 4. Novembers mindestens der Amtsleiter Steffan, Feuerwehreinsatzleiter Nennstiel und der Eisenacher Polizeichef Gubert teilnahmen.

Pensionär Steffan glaubte im Ausschuss damit durchzukommen, dass er die Polizei als Instanz darstellt, die zu hinterfragen sich verbietet. Ein braver Beamter, der den Anweisungen der Polizei Folge leistet, denn „so sei er großgeworden“. Das mag bei der eingezogenen Speicherkarte noch klappen, bei Verantwortung für die Gefährdungssituation in Stregda aber verfängt es nicht mehr.

Machen wir einen kurzen Satz zurück in die NSU-Ausschusssitzung vom 31. März 2014. Dort hatten die beiden Polizisten Seeland und Mayer mehrfach und nachhaltig betont, dass im Wohnmobil geschossen worden war. Der Gothaer Polizeidirektor Menzel gab in dieser Ausschusssitzung an, dass das SEK angefordert wurde und Einsätze mit Waffenbezug von Beamten des höheren Dienstes geleitet werden.

Der Zeuge Frank Mayer, einer der beiden Polizisten, die zuerst am Wohnmobil eintrafen:4)

Der Zeuge erklärt, dass er gar nicht viel beitragen könne. Er habe im Zuge der Fahndung das Wohnmobil festgestellt und durchgefunkt. Dann habe man sich dem Fahrzeug genähert, es seien Schüsse gefallen. Dann kamen Rauch bzw. Flammen raus und es kamen noch zwei weitere Schüsse. Danach habe man auf weitere Kräfte gewartet.

Die Vors. Abg. Marx Schüsse gibt an, dass die Schüsse in der Akte zu Knallgeräuschen mutieren. Sie bemerkt, dass der Zeuge einen Aktenvermerk am 4.11. verfasst:

„Hinter das Wohnmobil konnte nicht eingesehen werden […] 12.05 Uhr nahmen wir Geräusche aus dem Inneren wahr […] näherten uns, dann Schuss, kurz darauf ein zweiter […] nach dem Funkspruch ein dritter Schuss […] durch Herrn Seeland wurde bemerkt dass Teile der Dachverkleidung wegflogen“. Ein Polizist soll sich daraufhin hinter einem anderen Fahrzeug versteckt haben, ein anderer habe hinter einem Mülleimer Schutz gesucht.

[…]

Frau Marx erklärt, dass Herr Menzel dann von zwei Knallgeräuschen schrieb. Nein, mit Sicherheit drei, gibt der Zeuge an. „Es müssen ja Schüsse gewesen sein, im Nachhinein wissen wir es ja“, so der Zeuge, er ja als Polizist selber öfter schiesst, er habe sowohl mit einer MP als auch mit einem G3 schon geschossen. Man erkenne das ja akustisch, was ein Schuss ist.

Der Zeuge wiederholt mehrfach „es waren definitiv 3 Schüsse“ […]

Das beteuerte in gleicher Weise sein Kollege Seeland. Riefen die beiden die Feuerwehr? Nein:

Dann habe es geknallt, “Erscht einmal”, dann suchte man Deckung. Es folgten die beiden anderen Schüsse, Rauch und Feuer. Untermann: „Und dann rufen sie geistesgegenwärtig die Feuerwehr?“, Mayer: „Nein!“, er habe das der Leitstelle durchgegeben. Untermann fragt dann weiter, warum er denn nicht die Kameraden der Feuerwehr gewarnt hätte: “Da stehen 3-4 Polizisten rum und sagen nichts, dass da drin geschossen wurde!”, da müsse man doch warten, bis da drin keine Gefahr mehr besteht empört sich der Abgeordnete.

Der Zeuge meint, dass das alles über die Leitstelle lief. Es [Was – d.A.] die an Infos weitergaben entzieht sich seiner Kenntnis.

War es also die Leitstelle der Polizei, die an die Rettungsleitstelle einen einfachen Fahrzeugbrand weitergab, obwohl sie Kenntnis von gefährdeten Personen und Schüssen hatte? Auch das ist noch immer unklar.

Wie mutierten die eindeutigen Schüsse zu Knallgeräuschen? Polizeisprecher Ehrenreich, der ebenfalls nach Stregda geeilt war, gab zu Protokoll:

Nach dem das Wohnmobil lichterloh brannte ging er davon aus, dass von dem Wohnmobil keine Gefahr mehr ausging. Reihenfolge: Schuss. Schuss. Rauchentwicklung. Es schlagen Flammen aus dem Dach. Alles im Zeitraum zwischen 5–10 Minuten. Man habe aber direkt nach der Schuss-Info Kräfte rausgeschickt, so der Zeuge.

Später habe er die Schüsse in Knallgeräusche formuliert, weil ja die Geräusche auch durch den Brand ausgelöst worden sein könnten. Bei der Begehung des Wohnmobils durch seine Kollegen wurden die Schussverletzungen an den Leichen bekannt, dadurch dann die Schlussfolgerung auf Schüsse. Das habe er jedoch dann nicht nochmal an die Presse gesteuert.

[…]

Frau Marx macht auf die wörtliche Verwendung von „Knallgeräuschen“ statt Schüssen in den weiteren Ermittlungen aufmerksam und auch dass ein 3. Schuss gehört worden sein soll. „In meiner eigenen Wahrnehmung haben für mich niemals drei Schüsse eine Rolle gespielt“, er selbst habe erst später davon erfahren, dass auch ein dritter Schuss im Raum gestanden haben soll.

Die Kritik der Feuerwehr, man habe sie ungeschützt einer erheblichen Gefährdungssituation ausgesetzt, wird nach Angabe des Amtsleiters Steffan im späteren Auswertungsgespräch dagegen ausgeräumt. Durch den Leiter der Polizeiinspektion Eisenach, Polizeirat Thomas Gubert.

Gubert behauptet im krassen Widerspruch zu den Aussagen der beiden Polizisten Mayer und Seeland apodiktisch, es habe keine Gefahr für die Feuerwehr bestanden. Und zwar zu einem Zeitpunkt, als Schüsse Teil der Suizidtheorie der Ermittler waren.5)

Der Zeuge Steffan berichtet von dem Auswertungsgespräch, „um das aufzuhellen und das endlich mal aus der Welt zu schaffen …“, um die Frage zu klären ob der Feuerwehreinsatz konform lief oder ob es Probleme gab – denn es sei das Schlechteste, wenn „nicht genannte Dinge dann herumwabern“. „Am Tisch gab es keine Probleme mehr.“

Der Eisenacher Polizeichef, Herr Gubert, hätte die Bedenken ausräumen können. Die Abg. König (DIE LINKE) möchte wissen, wie Herr Gubert denn begründet habe, dass keine Gefahrenlage vor Ort bestanden habe. Steffan: Er habe Gubert direkt gefragt: „Bestand eine Gefahr?“, weil beim Amtsleiter Steffan im Haus eine „Unruhe bestanden“ hätte.

Herr Gubert hätte entgegnet, im Falle einer bestehenden Gefahr, ließe die Polizei „doch niemals das Feuerwehrauto durchfahren“. Eine Gefährdung hätte nicht vorgelegen.

Thomas Gubert gehört dringend vor den Untersuchungsausschuss der Thüringer Parlamentarier, um eine Begründung für seine Gefahreneinschätzung zu erläutern. Ein „Alles gut“ reicht nicht mehr aus.

Es wird also mindestens eine fünfte Ausschussitzung notwendig werden, um endlich zum realen Kern des 4. Novembers 2011 vorzudringen. Zunächst aber warten wir auf die Aussagen der Sanitäter und Kriminaltechniker am kommenden Donnerstag.


Quellen/Nachweise:

1) https://querlaeufer.wordpress.com/2015/09/05/zeugin-gerichtsmedizinerin-frau-prof-dr-mall-im-pua-61-erfurt-27-8-2015-1-teil/

2) Bericht des Untersuchungsausschusses 5/1 „Rechtsterrorismus
und Behördenhandeln“, Band II, S. 1328f

3) http://haskala.de/2015/08/29/ua-61-protokoll-27-8-2015-2-thueringer-nsu-untersuchungsausschuss-abschleppen-wohnmobil-feuerwehr-rechtsmedizin/

4) https://haskala.de/2014/03/31/ticker-zum-nsu-untersuchungsausschuss-31-03-2014/#vierter

5) http://haskala.de/2015/08/29/ua-61-protokoll-27-8-2015-2-thueringer-nsu-untersuchungsausschuss-abschleppen-wohnmobil-feuerwehr-rechtsmedizin/

Die Rechtschreibung in den Zitaten wurde an einigen Stellen zurückhaltend korrigiert.

Friendly Fire

Der NSU-PUA in Thüringen befragte Anfang Juni neun Feuerwehrleute, die am
4. November 2011 das brennende Wohnmobil in Eisenach-Stregda löschten.
Die Zeugen bestätigten einen schwerwiegenden Verdacht: Polizisten schickten Einsatzkräfte ungeschützt gegen mutmaßliche bewaffnete Bankräuber vor.
Dem Unwissen der Feuerwehr steht das Vorwissen der Polizei gegenüber.
Was heißt das für die Selbstenttarnung des NSU?

Unter allen NSU-Untersuchungsausschüssen nimmt der Thüringer eine Sonderstellung ein. Am Nationalsozialistischen Untergrund selbst wird auch in Erfurt nicht gezweifelt. Aber: Das Temperament der Thüringer Vollweiber, die dort das Sagen haben, hebt sich wohltuend ab vom schäbigen Aufklärungstheater der Simulanten in Stuttgart, Wiesbaden oder Düsseldorf.

Neben der Sozialdemokratin Marx treibt vor allem die Linke Katharina König den Ausschuss an. König ist es auch, die als Bloggerin eine kritische Öffentlichkeit mit PUA-Protokollen versorgt1). Das ist ihr hoch anzurechnen. Freilich hat auch diese Wahrheitsliebe Grenzen und Ziel: Der NSU ist rote Linie, Faustpfand und Allerheiligstes.

Ein verfestigter Irrtum hat den NSU unantastbar gemacht. Für den thüringischen Antifaschismus beweist er, wie das kapitalistische System Rechtsterroristen heranzüchtet und mit mörderischer Mission unters Volk schickt. Diese Vorstellung der Linken hat einen realen Kern. Der bürgerliche Staat organisierte und finanzierte im Osten Strukturen wie den THS und deckte kriminell gewordene V-Leute. Möglicherweise sogar die V-Zelle Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe. Selbst für den durchschnittlichen Untertanen ein schwer erträglicher Gedanke. Verantwortlich für eine Strategie der Spannung ist aus dieser Perspektive vor allem der Verfassungsschutz.

Das Problem dabei: Mit dem NSU hat die Kollaboration von Diensten und extremistischen Subkulturen nichts zu tun. Im Gegenteil. Der NSU ist ein staatliches Integrationsangebot auch an Frau König und ihre Genossinnen. Ein Angebot sogar an jene Altlasten, die alle Umstrukturierungen der Thüringer Behörden überlebten und deren Antifaschismus einer DDR-Sozialisation entstammt. Ihnen gegenüber zeigt sich der fremd gebliebene Staat großzügig und entschlossen bei der gemeinsamen Jagd auf ein Phantom.

Für die Gegenöffentlichkeit ist das Vergebliche dieser Hatz Fluch und Segen: Je stärker der Jagdeifer unserer Artemis-Katharina in Thüringens Fluren wütet, desto mehr dürfen wir hoffen, dass sich der verwilderte Staat in den Fallstricken seiner Inszenierung verfängt, dass ihm die Jagdgesellschaft auf die Schliche kommt. Die Beute der Thüringer Landesherrlichkeit musste er bereits der Linken lassen. Aus staatlicher Sicht ein hoher Preis für heimliche Komplizenschaft.

„Es war alles ein bisschen komisch“

Neun Feuerwehrleute also, die am 4. November 2011 das brennende NSU-Fluchtfahrzeug löschten, werden Anfang Juni 2015 vor dem zweiten NSU-Untersuchungsausschuss in Erfurt befragt. Was die Einsatzkräfte schildern, wird brisant im Kontext weiterer Behördenberichte, Zeugenaussagen und PUA-Protokolle. Den bodenständigen Feuerwehrleuten ist dabei eher zu trauen als aktengebrieften Politikern, V-Mann-Führern und Polizisten. Obwohl auch die Brandbekämpfer als loyale Beamte und Einheimische bei ihren Aussagen taktieren, weil sie Fallen oder Ärger wittern und echte oder vorgeschobene Erinnerungslücken haben. In ihren Bewertungen des Löscheinsatzes halten sie sich spürbar zurück, versuchen eigene Wut und Kritik sarkastisch abzumildern.

Den vermutlich authentischsten Bericht zu den Vorgängen in Eisenach und Stregda hat Kriminaloberkommissar Michael Lotz von der Eisenacher Kriminalpolizeistation verfasst.2) An ihm lassen sich die Angaben der Feuerwehrleute chronologisch sinnvoll einordnen. Darum muss es gehen. Nicht, dass der Bericht des KOK Lotz der Wahrheit notwendigerweise am nächsten kommt, denn er datiert vom Februar 2012, also mehr als einem viertel Jahr nach dem Wohnmobilbrand. Zeit genug, um Widersprüche zu glätten, Darstellungen zu synchronisieren, eigenes Handeln an das spätere NSU-Narrativ anzupassen. Dennoch lässt sich noch immer eine Grundstruktur im Bericht erkennen; bleiben Brüche unbearbeitet, enthält er viele glaubwürdige und durch die Feuerwehr bestätigte Details.

Sein eigentlicher Wert aber besteht in der Autorenschaft eines der wichtigsten Akteure an diesem 4. November in Stregda. Jedenfalls bis zum Eintreffen des Gothaer Polizeidirektors, Menzel, am Tatort. Aber KOK Lotz ist es auch, der am 5. November nach Niedersachsen fliegt, um eine der Schlüsselfiguren der NSU-Erzählung zu vernehmen: Holger Gerlach. Lotz wird in München aussagen. Für den Fortgang des NSU-Projektes ist er mindestens so wichtig wie Einsatzleiter Menzel, auf den sich die Medien konzentrieren. Und Michael Lotz kann nicht in Deckung gehen, wie die Polizisten Seeland und Mayer. Sein Bericht zeugt für ihn, für uns macht ihn das verbindlich.

Vorgewusst oder vorgeahnt?

Am 4. 11., dem Tag der Selbstenttarnung, wird KOK Lotz um 9.25 Uhr von seinem Vorgesetzten, KHK Mayer, über den Raubüberfall auf die Wartburgsparkasse am Eisenacher Nordplatz informiert. Damit beginnt der Einsatz des Kriminalisten. Mit vier weiteren Kollegen macht er sich auf den Weg zur überfallenen Sparkasse, um die Tat aufzunehmen, Spuren zu sichern, Zeugen zu befragen. Eine Stunde später, gegen 10.20 Uhr, erhält Lotz einen wichtigen Anruf seines Gothaer Kollegen KOK Mario Wötzel. Wötzel ist ebenfalls Bearbeiter eines Sparkassenüberfalls, der allerdings bereits zwei Monate zuvor, am 7. September, in Arnstadt stattfand.

Zu diesem Anruf kommt es aufgrund einer Serienraubthese. Der Eisenacher Überfall wird erwartet. Man kommt schnell überein, dass es sich um die gleiche Tätergruppe handeln müsse. Masken, Modus Operandi, Bewaffnung sollen das belegen. Lotz spricht von Offenkundigkeit.

Die Fixierung der Thüringer Polizei auf eine zu erwartende Wiederholungstat, die genau so eintrifft, ist bemerkenswert. Sie basiert auf einem angeblichen Misserfolg des Bankraubes in Arnstadt, bei dem zwei als etwa zwanzigjährig beschriebene Täter 15.000 Euro erbeutet hatten. Statistisch gesehen war dieser Überfall jedoch ein ziemlicher Erfolg.

An das große Geld kommt kaum einer der Täter heran“, erklärt Staatsanwältin Daniela Tausend. Die meisten Bankräuber erbeuteten Summen zwischen 2000 und 3000 Euro.
Der Grund ist simpel: Banken und Sparkassen lassen sich immer ausgebufftere Sicherungssysteme einfallen. Kassierer verfügen nur mehr über geringe Bargeldbeträge. Höhere Summen liegen in Safes mit speziell gesicherten Zeitschlössern. Oft gelingt es dem Personal ein Security-Pack unter die Beute zu schmuggeln – ein Mini-Sprengsatz, der Farbe verspritzt. Die Scheine sind damit sogleich wertlos, und der Täter ist auf der Flucht sofort zu erkennen.“ 3)

Die Anzahl der Banküberfälle ist aus gutem Grund seit Jahren stark rückläufig.4) Die Aufklärungsquote liegt bei rund 80 Prozent. Die im Vorfeld des 4. November entstehende Vermutung der Thüringer und sächsischen Beamten Wötzel, Leucht und Merten, die Bankräuber von Arnstadt würden erneut zuschlagen, hat mit Bezug auf die Beute also keine Grundlage. KOK Jens Merten, einer der drei Beamten, die an der These einer wiederaufgenommenen Raubserie und Prognose einer Wiederholungstat wegen Misserfolgs basteln, kennt nicht einmal die Höhe der Arnstädter Beute. Im Berliner NSU-PUA nimmt er 300 bis 500 Euro an.5)

Wie sich später zeigt, haben die Bankräuber ohnehin keine Geldsorgen. Sie führen – vermutlich einmalig in der Kriminalgeschichte – reichlich Bares im Fluchtfahrzeug mit, wohl, um den Ermittlern die spätere Beweissicherung leichter zu machen. Darunter auch die Beute des Arnstädter Überfalls.

Wötzels früher Anruf bei seinem Kollegen Lotz und die schnelle Festlegung auf die gleiche Tätergruppe von Arnstadt und Eisenach haben eine wichtige Konsequenz. Eine weitere Prognose der länderübergreifenden Ideenwerkstatt rückt in den Fokus: Die Bankräuber, so die These, werden ihre Flucht mit einem Transportfahrzeug fortsetzen, in dem sie ihre Fahrräder verstauen. Nach diesem größeren Fahrzeug ist nun zu fahnden.

Der Zufall will es, dass KOK Lotz kurz darauf der Zeugenhinweis auf ein weißes Wohnmobil erreicht. Der Rentner Stutzke hat beobachtet, wie zwei Radfahrer ihre Räder in ein Wohnmobil mit V-Kennzeichen laden und zügig wegfahren. 11.15 Uhr werden mehrere Beamte zur Verladestelle geschickt, ab 11.40 Uhr soll ein Spürhund die Spurensicherung unterstützen. Allerdings ohne greifbare Ergebnisse. Aber KOK Lotz hat Glück. Gegen 12.00 Uhr wird er informiert, dass ein weißes Wohnmobil mit V-Kennzeichen in Stregda steht. Das passt zeitlich perfekt, denn die Tatortermittlungen sind eben abgeschlossen. Lotz weist zwei Begleiter an, Schutzwesten überzuziehen und fährt mit ihnen zur Wohnsiedlung. Dort trifft er 12.10 Uhr ein und bewegt sich zu Fuß zum stark qualmenden Wohnmobil. Die Selbstenttarnung des NSU hat bereits begonnen.

Verrußte Scheiben am Führerhaus

Qualm und Ruß lassen KOK Lotz bereits auf Sichtweite zur festen Überzeugung gelangen, dass alle Fahrzeuginsassen, über deren Anzahl und Ausrüstung er zu diesem Zeitpunkt nichts weiß, handlungsunfähig oder bereits tot sein müssen. Strenggenommen gibt es nicht einmal Sicherheit, dass sich überhaupt Personen im Fahrzeug aufhalten. Die Polizisten Seeland und Mayer hatten niemanden gesehen, sondern Knallgeräusche gehört, die sie als Schüsse identifizierten. Auch das Wohnmobil, das Rentner Stutzke beobachtet haben will, wird lediglich am V-Kennzeichen erkannt.

Der Unterzeichner begab sich zu Fuß in Richtung des Wohnmobiles. Es war zu erkennen, dass bereits erheblich Rauch aus dem Inneren drang und die Scheiben des Führerhauses dick mit Rußniederschlag von innen bedeckt waren.

Da dem Unterzeichner klar war, dass unter diesen Umständen niemand mehr im Wohnmobil handlungsfähig sein kann und mit hoher Sicherheit schon allein wegen der Rauchgasintoxikation im Sterben ist bzw. schon verstorben ist, näherte sich der Unterzeichner dem Wohnmobil aus südöstlicher Richtung an. Die Gesamte Zeit vom Eintreffen bis dahin war keine Person an dem Wohnmobil.“ 6)

Die schon zu diesem frühen Zeitpunkt getroffene Einschätzung des Kriminalisten Lotz, lebensrettende Sofortmaßnahmen seien nicht mehr nötig, wird während des gesamten Einsatzes nicht in Frage gestellt. Erstaunlich. Lotz vermittelt den Eindruck völliger Gewissheit, obwohl der Innenraum des Wohnmobils für ihn nicht einsehbar ist. Einsatzleiter Michael Menzel hatte im Münchner NSU-Prozess noch auf mögliche Geiseln in der Gewalt der vermuteten Bankräuber hingewiesen. KOK Lotz hält sich mit solchen Spekulationen nicht auf.

Die Kollegen hätten Verstärkung gerufen und dann sei es zum Brand gekommen. Die Feuerwehr sei verständigt worden. „Das war 12.05, 12.06 Uhr.“ Das habe auch ihn veranlasst, von Gotha nach Eisenach zu verlegen: „Ich musste annehmen, dass das Fahrzeug in unmittelbarem Tatzusammenhang steht und die Täter sich im Fahrzeug befinden“. Es habe sich auch die Frage nach der Gefahr einer Geiselnahme gestellt, „da hat in Thüringen der höhere Dienst die Maßnahmen zu übernehmen”. Als er eingetroffen sei, sei der Brand schon weitgehend abgelöscht gewesen.“7)

Menzels hauseigener Sachstandsbericht mit Datum vom 5. November 2011 an den Meininger Staatsanwalt Klüpfel fasst die Gefährdungslage so zusammen:8)

„Als sich die Polizeibeamten in Uniform dem Fahrzeug näherten, nahmen sie zwei Knallgeräusche war, die kurz hintereinander erfolgten. Daraufhin zogen sich die Beamten aus Eigensicherungsgründen zunächst zurück und evakuierten unbeteiligte Personen aus dem direkten Umfeld des parkenden Wohnmobils.

Durch die Polizeidirektion Gotha war nach Bekanntwerden dieser Umstände sofort ein Führungsstab unter der Leitung von Kriminaldirektor Menzel, Leiter der Polizeidirektion Gotha, gebildet. KD Menzel übernahm die Führung vor Ort. Das SEK des Thüringer Landeskriminalamtes wurden angefordert und weitere Kräfte am nunmehr neuen Tatobjekt zusammengezogen.“

In Kenntnis eines vorangegangenen möglichen Schusswaffengebrauches, ordnet KOK Lotz zwar seinen Kollegen gegenüber das Anlegen von Schutzwesten an, die eintreffende Feuerwehr jedoch warnt er nicht. Auch die Polizisten Seeland und Mayer, die eben noch wegen der gehörten Schüsse in Deckung gegangen waren und angeblich unbeteiligte Personen aus dem Wohnmobilumfeld evakuierten, lassen den Einsatzzug der ahnungslosen Feuerwehrleute in unmittelbarer Nähe des brennenden Wohnmobils halt machen.

Die Feuerwehr fuhr gerade mit Sondersignal in das Wohngebiet ein, als das Dachfenster des Wohnmobils nach innen stürzte. Dadurch schlugen dann die Flammen nach oben aus dem Wohnmobil. Die Feuerwehr fuhr direkt neben das Wohnmobil. Der Unterzeichner forderte die Feuerwehrleute auf, nur vorsichtig zu löschen, da möglicherweise Tote sich im Inneren befinden und die dortige Spurenlage möglichst erhalten bleiben soll. In diesem Sinne löschte die Feuerwehr vorsichtig. Ca. zwei Minuten später war der Brand gelöscht. Die Feuerwehrleute fragten den Unterzeichner, ob die Tür des Wohnmobils geöffnet werden kann, um weiter löschen zu können. Die Tür wurde unter Zuhilfenahme von Hebelwerkzeugen aufgehebelt.“

Retten, Löschen, bergen, schützen

Diese schweren Fahrlässigkeiten, dass die eintreffende Feuerwehr weder über eine erhöhte Gefährdung informiert wird, während gleichzeitig ein SEK unterwegs ist, noch dass lebensrettenden Maßnahmen eingeleitet werden, bleiben bis heute unaufgeklärt. Die Feuerwehrleute haben nun in Erfurt gleich mehrfach bestätigt: Eine Eigensicherung der Brandbekämpfer wird nicht veranlasst, die Rettung von Menschenleben aus dem brennenden Fahrzeug ist nicht vorgesehen. Einzige Sorge der Polizei ist ein spurenschonendes Vorgehen beim Löschen. Die spätere Kritik an der Einsatzleitung der Polizei wird gegenüber der Feuerwehr zurückgewiesen:9)

[…] man habe nur mit dem Eisenacher Polizeichef Herrn Gubert gesprochen. Es ging da im Kern um die Kritik, dass man nicht rechtzeitig als Feuerwehr darüber informiert war, dass im zu löschenden Fahrzeug geschossen wurde. Aus Feuerwehr-Sicht habe man dargestellt, „dass wir quasi in Gefahr waren, beschossen zu werden“. Herr Gubert hat dann den Einsatz erklärt und dementiert, dass eine solche Gefahr bestanden habe. Zum Eintreffen der Feuerwehr „hätte angeblich keine Gefahr mehr bestanden“.

Zwischen dem Eintreffen des Kriminalbeamten Lotz und der Feuerwehr liegen gerade zehn Minuten Rauch- und Brandentwicklung im Wohnmobil. Der erste große Löschangriff dauert zwei Minuten. Das Eintreffen eines Rettungsdienstes wird nicht erwähnt, nur einer der Feuerwehrleute kann sich überhaupt an die Anwesenheit medizinischen Personals erinnern, während andere angeben, keine Sanitäter gesehen zu haben. Der Versuch einer Kontaktaufnahme der Einsatzkräfte mit den Fahrzeuginsassen findet zu keinem Zeitpunkt statt. Die mögliche Verwendung von Atemschutzgeräten durch die mutmaßlichen Bankräuber scheint prinzipiell ausgeschlossen.

Der Unterzeichner nahm von außen durch die geöffnete Tür Einsicht in das Wohnmobil. Im Gang vorn wurde eine leblose männliche Person auf dem Bauch liegend festgestellt und im hinteren Bereich des Ganges war eine weitere leblose männliche Person im zusammengesunkener Lage zu erkennen, Der Schädel dieser Person war offenbar durch Schusseinwirkung erheblich verletzt.“

Nach dem Löschen nimmt Michael Lotz von der geöffneten Tür aus Einsicht ins Fahrzeuginnere. Die bewusstlose Person, die unmittelbar vor ihm liegt und bei der erhebliche Verletzungen durch Schusseinwirkung dann wohl eher nicht zu erkennen sind, kümmert ihn nicht. Für KOK Lotz ist sie leblos, also tot. Lotz findet bestätigt, was er sich bereits beim Eintreffen am Wohnmobil gedacht hatte. Bergungs- oder Wiederbelebungsversuche sind unnötig, es geht ihm nur noch um Spurensicherung.

Was der Beamte ignoriert: Bewusstlosigkeit gehört zu den Symptomen einer Rauchgasvergiftung. „Ein Turnschuh mit Bein“, wie es Gerd Lindenlaub von der FFW Stregda beschreibt, reicht nicht, den Tod der Fahrzeuginsassen festzustellen und Hilfeleistungen zu unterlassen. Anzeichen und Rettungsmaßnahmen bei Rauchgasinhalation sind auch in Thüringen bekannt.10) Im Münchner NSU-Prozess bestätigt Menzel, dass der Tod der später als Uwe Böhnhardt identifizierten Person zum Zeitpunkt der Erstbegehung des Tatortes nicht sicher war: 11)

RA Klemke will wissen, wann zum ersten Mal festgestellt worden sei, dass sich verstorbene Personen im Wohnmobil befinden. Mit seinem Eintreffen habe ihm der Polizeiführer vor Ort gesagt, dass die Feuerwehr rein geschaut habe, so Menzel. Der Brand sei wohl 12.06 Uhr gemeldet worden, die Ablöschung habe gegen 12.20 Uhr stattgefunden. Es müsse zwischen 12.20 Uhr und 12.40 Uhr gewesen sein. Die Feuerwehr habe mitgeteilt, dass sie hinein gegangen sei, um von innen zu löschen. Eine Person sei tot festgestellt, bei dem zweiten hätten sie es nicht so genau gewusst. Er denke, so Menzel auf RA Klemkes Frage, dass er die Rechtsmedizin kurz nach seinem Eintreffen angefordert habe, so gegen 13 Uhr. Das sei eine kriminalpolizeiliche Standardmaßnahme. Die Rechtsmedizin sei vor dem Abtransport vor Ort gewesen. Wann die Rechtsmedizin da gewesen sei, könne er nicht mit Sicherheit sagen, wohl um 14 Uhr herum. Klemke hält vor, Kriminaloberkommissar Lo. habe vermerkt, die Rechtsmedizin sei um 13.12 Uhr eingetroffen. Das könne sein, so Menzel.“

Wer den Tod vor allem der Person im Eingangsbereich feststellt, wenn schon niemand helfen will, bleibt unklar. Nach einem Vermerk der BKA-BAO Trio12) brauchte die Feuerwehr für drei Kilometer Anfahrt sogar nur fünf bis zehn Minuten. Theoretisch wäre es möglich, dass sich nach Ablöschung gegen 12.15 Uhr bis zum Eintreffen der Rechtsmedizin um 13.12 Uhr fast eine Stunde lang niemand um den Bewusstlosen kümmert.

Als KOK Lotz unter dem Wohnmobiltisch ein rot leuchtendes, unbekanntes Gerät entdeckt, veranlasst er die Räumung des Fahrzeugnahbereiches. So schreibt er es in seinen Bericht. Eine nachvollziehbare Entscheidung. Die ungewöhnliche Tötung der Fahrzeuginsassen durch Nahschüsse mit großkalibrigen Waffen und das Inbrandsetzen des Wohnmobils lassen weitere Überraschungen möglich erscheinen.

Allerdings bestätigt diese Räumung keiner der Feuerwehrleute. Im Gegenteil. Ihr Einsatzleiter Nennstiel betritt selbst das Fahrzeug, um Fotoaufnahmen des Innenraums zu machen. Nach eigener Aussage erscheint Lotz die Gefahr einer Sprengfalle gleichzeitig groß genug, den Sprengdienst zu rufen. Später wird Menzel auch diese Gefährdungslage ignorieren und das Ladegerät selbst abklemmen.

Auf dem Rücken der zuerst genannten Person waren die Reste des Dachfensters zu sehen. Daneben befand sich ein Tisch, auf welchem im Brandschutt eine Pistole zu erkennen war, vom groben Aussehen glich sie der Heckler & Koch-Dienstwaffe des Unterzeichners. Unter dem Tisch befand sich ein nicht näher erkennbares Gerät, an dem ein rotes Licht leuchtet. wie eine Leuchtdiode. Es war zu erkennen, dass dort Kabel angeschlossen waren. Inwieweit es sich um einen Sprengsatz oder ein harmloses Gerät handelt, konnte so zunächst nicht geklärt werden. Alle Einsatzkräfte sollten sich zunächst aus Gründen der Eigensicherung von dem Wohnmobil weg begeben […]

Um nichts unnötig am Brandort bzw. Leichenfundort zu verändern, beließ der Unterzeichner den Ort so, um geeignete Kräfte für die weitere Bearbeitung heranzuziehen. Aus diesem Grunde wurde mit dem nun vor Ort befindlichen Leiter der PI Eisenach, Herrn PR Gubert, Rücksprache gehalten. Diesem wurden die ersten Feststellungen des Unterzeichner mitgeteilt und auch, dass der Unterzeichner die Tatortgruppe des TLKA, die Abteilung USBV, weitere Verstärkung vom Kommissariat I aus Gotha sowie die Rechtsmedizin, welche sowieso wegen einer Sektion gerade in Eisenach ist, heranziehen möchte. […]

In der Folge trafen weitere Polizeikräfte vor Ort ein, insbesondere der Leiter der Polizeidirektion Gotha, Herr PD Menzel. Nach entsprechender Lagebesprechung statteten sich Herr PD Menzel und der Unterzeichner entsprechend aus, um das Wohnmobil zu betreten. Das war gegen 12:45 Uhr. Eine Gummimatte wurde über den Boden des Einstiegbereiches des Wohnmobiles innen gelegt, um dieses Spuren schonend betreten zu können. Durch den Unterzeichner wurden dabei erste Fotos von der vorgefundenen Situation gemacht. Die Einnahme von Augenschein durch Herrn PD Menzel und den Unterzeichner hatte primär zum Ziel, zumindest im Überblick festzustellen, ob für die Schussabgaben im Wohnmobil oder auch sonst im Zusammenhang mit dem Sachverhalt noch eine dritte Person in Betracht kommt und ob im Wohnmobil jeder sich selbst getötet hat oder einer den anderen und dann sich selbst.

Der Held von Eisenach

Auch nachdem Polizeidirektor Menzel den Tatort übernimmt, reißen die Merkwürdigkeiten nicht ab. Es kommt zu einer bizarren Auseinandersetzung zwischen Feuerwehr und Polizei, die sich über eine Stunde hinzieht. Streitobjekt ist Einsatzleiter Nennstiels Fotoapparat. Der Feuerwehrmann hatte für die Einsatzdokumentation Aufnahmen des Fahrzeuginneren gemacht. Kriminaldirektor Menzel fordert die Herausgabe der Kamera. Die erhält der Feuerwehrmann später zurück, die Speicherkarte samt Fotos verbleibt bei der Polizei. Wochen später bekommt Nennstiel auch die Speicherkarte wieder, die Fotos sind gelöscht. Auch das kommt im Untersuchungsausschuss auf den Tisch. Die Frage Katharina Königs, ob schon mal eine Kamera beschlagnahmt worden sei, verneint Nennstiel. Er sei der erste, dem das passierte.

Für diese Konfiszierung gibt es nur zwei mögliche Erklärungen. Ermittlungstaktische Erwägungen überzeugen allerdings kaum. Menzel hatte sich schnell die Suizidtheorie zu eigen gemacht. Die Ermittlungen zur Fremdbeteiligung bei den Tötungen sind damit praktisch bereits eingestellt. Weitere Tatbeteiligte am Banküberfall werden nicht gesucht. Der berühmt gewordene dritte Mann scheidet frühzeitig aus den Überlegungen aus. Eine Fahndung wird nicht herausgegeben.

Wollte man also freie Hand, um den Tatort später nach Belieben verändern zu können? War dieses Vorgehen, Fotoaufnahmen der Feuerwehr vom Brandort zu verhindern eine eigenständige Entscheidung Menzels oder Vorgabe übergeordneter Stellen? Feuerwehrmann Nennstiel jedenfalls kann sich nicht erinnern, Waffen gesehen zu haben.13)

„Die Vors. Abg. Marx (SPD) fragt weiter zu den Fotos in der Küchenecke, ob er auch Waffen gesehen habe als er drin war. „Ne, ich habe nix gesehen von Waffen. War mir auch nicht bewusst.“ Die Vors. Abg. Marx (SPD) macht darauf aufmerksam, dass seitens eines Polizisten ja eine Pistole im Brandschutt [auf dem Tisch] gesehen worden sein soll. Der Zeuge kann dazu nichts sagen. Und auf dem Boden? „Ich will ’s jetzt nicht beschwören, aber ich bin der Meinung, irgendwas lag neben so einem, im vorderen Bereich jedenfalls nicht“. Herr Nennstiel: „Das habe ich fotografiert“. Frau Marx: „Die [Fotos, die] wir jetzt nicht mehr haben“.

KOK Lotz hatte selbst auch fotografiert, seine Aufnahmen fehlen ebenso in den geleakten NSU-Akten.14)

Wie sein Kollege Lotz hat Michael Menzel zumindest beim Timing am Tatort das Glück des Tüchtigen. Mit dem frühen Eintreffen der Rechtsmediziner Mall und Heiderstädt gleich zweifach. Die geschmeidigen Expertisen der Jenaer Obduzenten haben inzwischen einen bundesweiten Ruf erlangt.15) Dass Professorin Mall und Dr. Heiderstädt so schnell in Stregda sein können, verdankt die Polizei dem interessanten Zufall, dass die beiden an diesem Tag in Eisenach obduzieren und ihre Arbeit offenbar beendet ist.

Eine Anreise aus dem Institut in Jena dagegen dauert via Autobahn über eine Stunde, Freitagmittag vermutlich eher länger. Um gegen 13.15 Uhr am Tatort zu sein, hätte man die Rechtsmediziner schon 12 Uhr über einen Leichenfund informieren müssen. Das wäre ein Husarenstück wie Menzels Beiziehung der Vermisstenakte Mundlos gewesen. Aber Kommissar Zufall wählte diesmal den kurzen Dienstweg.

Die Einsatzleitung liegt gut in der Zeit. Die Tatortgruppe des LKA ist eingetroffen. Verpackung und Abtransport des Tatortes Wohnmobil können endlich in Angriff genommen werden. Auch dabei helfen die Feuerwehrleute trotz erheblicher brandschutztechnischer Bedenken. Aber alles geht gut. Und erneut trifft den Polizeidirektor ein günstiges Geschick. Ein örtlicher Abschleppdienst, die Firma Tautz, stellt der Polizei kurzfristig nicht nur Abdeckplanen und Dienstleistung zur Verfügung, sondern auch die eigene Halle zur Unterbringung des mobilen Tatorts. Dass professionelle Brandnachsorge im Wohnmobil durch die Polizei mit Verweis auf die Spurensicherung verhindert wird, dass sich im Wohnmobil Leichen mit schwersten Verletzungen befinden, Waffen und Munition gefunden werden und das TLKA die Halle mit Beschlag belegt, all das scheint für Tautzens kein Problem zu sein.

Es fällt im PUA eine interessante Zeitangabe. Gegen 15 Uhr trifft Feuerwehrmann Jens Claus vom A-Dienst in Stregda ein. Da ist das Wohnmobil bereits abfahrtfertig eingepackt. Claus begleitet die Überführung des Fahrzeuges ins Firmengelände der Firma Tautz. Nach der Einweisung von Wärmemesstechnik und Übergabeprotokell ist für ihn der Einsatz gegen 16.30 Uhr beendet.

Auch wenn KOK Lotz in seinem Bericht einen Zeitstempel vermeidet, als sich die Beamten seines Kommissariats vom Acker machen, kann man grob schätzen: Spätestens 16 Uhr, vier Stunden nach den Knallgeräuschen am Schafrain, ist der Spuk in der idyllischen Wohnsiedlung vorbei, als wäre nie etwas gewesen.

Der Dank des Vaterlandes

Das Unwirkliche, das Groteske der NSU-Selbstenttarnung wird polizeilich abgeschirmt in der Halle eines Abschleppdienstes fortgesetzt, verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit. Der NSU kehrt nach seinem Kontakt mit der Realität zurück ins Virtuelle, in die Betreuung durch Kriminalpolizei, Anwaltschaft und Politik. Wie der mobile Tatort in Stregda wird später auch das abgebrannte Terrornest in Zwickau spurlos verschwinden.

Das Unbehagen der Feuerwehrleute im Erfurter PUA, der Ablauf des Einsatzes, Missachtung der Gefährdungslage und frühe Gewissheit der toten Bankräuber – das alles verstärkt und begründet den Verdacht einer Inszenierung. Harte Beweise sind es nicht. Den offiziellen Rahmen eines Vorwissens setzt allein schon die Vorfeldthese der Bankraubserie. Die beschlagnahmte Speicherkarte Nennstiels bleibt ein weiteres starkes Indiz für eine gelenkte Aufklärung und vermutete Tatortmanipulation. Michael Menzel ist nach wie vor ein Protagonist des 4. November. Aber welcher Art sein Vorwissen ist, bleibt vorerst weiter ungeklärt.

In der Rezeption der alternativen NSU-Aufklärung erscheint der Einsatzleiter überwiegend als Aufschneider, als Lügner oder Vertuscher, als einer, der die Intention der NSU-Planer nicht verstanden hat. Seine Stellung als Einsatzleiter der Polizeimaßnahmen in Eisenach ist herausgehoben. Er kann Tatort- und Ermittlungsmaßnahmen steuern. Das tut er auf vielfältige Weise. Als er Frank Nennstiel die Kamera abnimmt, da scheint er ganz Mitwisser zu sein, Vorbereiter und Helfer der später Agierenden von LKA und BKA. Weiß er auch, wer da im Wohnmobil liegt?

Rätselhaft bleibt bis heute das Drama um die Vermisstenakte. Warum tappt Menzel in die chronologische Falle? Ist er unfähig, die Konsequenzen seiner Aussagen zu überblicken? Oder versucht er, eine Verbindung herzustellen, aus seinem Vorwissen und dem, was nachträglich entsteht, einen Kompromiss zu finden zwischen abweichenden Berichten und Aktenlagen?

Es ist viel über seinen Anruf bei Ex-Verfassungsschützer Norbert Wießner spekuliert worden. Wießner selbst korrigierte den Anruf weg vom 4. November. Im Berliner PUA ist es nicht Wießner, der einen nachprüfbaren Hinweis auf die Identifizierung gibt, sondern der FDP-Mann Patrick Kurth. Der verweist während der Befragung des Thüringer Ex-Verfassungsschützers auf ihm vorliegende Akten. Akten, die möglicherweise auch Kenntnisstand Menzels sind:16)

Ich will nur noch mal sagen, damit das abgeschlossen ist an der Stelle: Am 04.11. war maximal eine Person bekannt, wenn überhaupt, zweifelsfrei überhaupt erst am 05.11. Eingeliefert wurden zwei unbekannte männliche Personen. In den Akten, die wir hier zur Verfügung haben, legt sich niemand auf den Namen fest. „Mutmaßlich“ heißt es an der Stelle bei einer Person, und das auch erst um 16, 17 Uhr, also relativ später am Tag.

Da ist es wieder, dieses „mutmaßlich“. Hat Michael Menzel versucht, die Wahrheit zu sagen, als er vom Brainstorming erzählt, in dessen Verlauf man auf Mundlos gekommen sei? Zog er sein Vorwissen auf dieses angebliche Brainstorming zusammen? Bekam er Hinweise auf die Verwicklung des Jenaer Bombenbastlertrios in den Banküberfall von Arnstadt bereits im Vorfeld von interessierter Seite konspirativ zugespielt?

Steckte man Menzel außerhalb dienstlicher Strukturen, dass „da noch ein größeres Ding im Hintergrund läuft“, in Richtung Rechtsterrorismus oder Polizistenmord, dass das Trio – Du erinnerst dich an die Drei? – noch mehr „Dreck am Stecken“ hat und man von einer geheimdienstlichen Quelle in ihrem Umfeld weiß: In den Knast gehen die auf keinen Fall. Dass sie einen gemeinschaftlichen Suizid planen, wenn der nächste Bankraub schiefgeht. Ist das denkbar?

Wenn wabernde Gerüchte und Spekulationen eine politische Aura erzeugten, dann war klar, dass der zu erwartende Bankraub weite Kreise ziehen würde, aber ebenso unklar blieb dann auch, was genau wer vom Einsatzleiter Menzel erwartete.

Diese Unsicherheit und die Absicht, doch alles richtig zu machen, der Ehrgeiz alles aufzuklären, macht das Phänomen Menzel aus. Ihm fehlen Maß und Gespür für staatliches Wollen in heikler Situation, das scheinbar launenhaft bremst und forciert und immer auch nach Alternativen sucht. Ist Menzels übermotiviertes Vorgehen als Leiter der Soko Capron, sein Auftrag an Wunderlich, Beate Zschäpe ausfindig zu machen oder das Abklemmen seiner Ermittlungen vom Polizeinetz bereits am Nachmittag des 4. Novembers, Hinweis auf ein Misstrauen? Befürchtet er, dass der fremde Staat, in den er hineingeraten ist, die Neonazis decken und den Hintergrund des 4.11. verschleiern würde? Wurde Menzels Antifaschismus andererseits gerade deshalb in gleicher Weise genutzt, wie später bei Katharina König und anderen – zur Einbindung in das NSU-Projekt?

Thüringen ist in den Nachwendejahren ein Schlachtfeld schwerster Grabenkämpfe zwischen Ost und West, DDR-Mentalität und freiheitlicher Selbstherrlichkeit, Opfern von Umstrukturierungen und Karrieristen. Auch Rechtsextremismus und Kriminalität erscheinen aus einheimischer Perspektive als hereingetragen oder Folge einer verfehlten Transformation. All das werden „Ehemalige“ vorzugsweise dem fremden Staat anlasten. Zumindest heimlich. Finden sich da also die Gründe für Menzels forschen Aktionismus?

Als er noch der Held von Eisenach ist, bezieht er Stellung und deutet behördliches Versagen beim Umgang mit Rechtsextremen an. Da ist Michael Menzel bei Katharina König und dem NSU.17)

Dass die Polizei Fehler machen könnte, räumt Menzel offenherzig ein, nicht aber in diesem Fall: „Von der polizeilichen Seite haben wir bewiesen, dass wir nicht mit Rechtsextremen unter einer Decke stecken. Das wird auch in Zukunft so sein.“

Für ein Spannungsverhältnis zwischen Verwaltungsbehörden und Polizeidirektor Menzel spricht: Sein Einsatz für die Aufklärung des 4. Novembers wird zunächst nicht belohnt. Er wird im Zusammenhang mit der Soko Capron disziplinarisch belangt, eine Bewerbung nach Erfurt wird abgelehnt. Nach dem jüngsten Regierungswechsel in Thüringen ereilt Michael Menzel dann doch noch der Dank des Vaterlandes. Kürzlich wechselte er von der Saalfelder Landespolizeiinspektion als Referatsleiter ins Innenministerium.18)

 

Fußnoten:

1) http://haskala.de/2015/06/05/protokoll-des-2-thueringer-nsu-untersuchungsausschuss-erste-sitzung-mit-zeugenbefragung-4-6-2015-feuerwehr-polizeieinsatz/#more-17648

2) http://fdik.org/nsuleaks/Bd4-1Ordner1WohnmobilAllgemeines.pdf
PDF-Dokument-Seite 22ff

3) http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.muenchen-bankraub-ist-nur-fuer-trottel.d9968e5e-86e7-4594-8d84-4a7ba0df837c.html

4) http://de.statista.com/statistik/daten/studie/5820/umfrage/raubueberfaelle-auf-geldinstitute-in-deutschland/

5) 2. Untersuchungsausschuss des Bundestages, 43. Sitzung am 29.11.2012, S. 131

Klicke, um auf Protokoll-Nr%2043.pdf zuzugreifen

6) http://fdik.org/nsuleaks/Bd4-1Ordner1WohnmobilAllgemeines.pdf
PDF-Dokument-Seite 22ff

7) http://www.nsu-watch.info/2013/11/protokoll-52-verhandlungstag-6-november-2013/

8) http://fdik.org/nsuleaks/Bd4-1Ordner1WohnmobilAllgemeines.pdf
PDF-Dokument-Seite 5

9) http://haskala.de/2015/06/05/protokoll-des-2-thueringer-nsu-untersuchungsausschuss-erste-sitzung-mit-zeugenbefragung-4-6-2015-feuerwehr-polizeieinsatz/

10) http://www.zna.uniklinikum-jena.de/zna_media/SOPs/Rauchgasintox.pdf

11) http://www.nsu-watch.info/2013/11/protokoll-52-verhandlungstag-6-november-2013/

12) http://fdik.org/nsuleaks/Bd4-1Ordner1WohnmobilAllgemeines.pdf
PDF-Dokument-Seite 48

13) http://haskala.de/2015/06/05/protokoll-des-2-thueringer-nsu-untersuchungsausschuss-erste-sitzung-mit-zeugenbefragung-4-6-2015-feuerwehr-polizeieinsatz/#fuenfter

14) https://sicherungsblog.wordpress.com/2015/06/04/was-sagen-die-feuerwehrleute-heute-aus-einer-sass-am-tisch-mit-einem-loch-in-der-stirn/

15) http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Mysterioeser-Tod-in-Meiningen-Experte-glaubt-an-Toetung-1107388817

16) 2. Untersuchungsausschuss des Bundestages, 56. Sitzung am 28.02.2013, S. 49

Klicke, um auf Protokoll-Nr%2056a.pdf zuzugreifen

17) http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Was-beim-Tod-der-Neonazis-in-Eisenach-wirklich-geschah-463100895

18) http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/suche/detail/-/specific/Saalfelds-neuer-Polizeichef-Dirk-Loether-ist-ein-waschechter-Thueringer-110694136

http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/suche/detail/-/specific/NSU-Trio-als-groesster-Fahndungserfolg-Neuer-Polizeichef-fuer-Saalfeld-Rudolsta-716610433

 

Die Rechtschreibung in den Zitaten wurde teilweise zurückhaltend korrigiert. Zusätzliche Absatzumbrüche wurden der Lesbarkeit halber eingefügt. Zitate ohne Fußnote verwenden Textabschnitte aus dem Bericht von KOK Lotz.

Das Ohr des Feindes

Annäherung an ein Wohnmobil

Der Suizid von Mundlos und Böhnhardt gehört zu den unglaubwürdigsten Geschichten des Staates über den NSU. Zum Tod der mutmaßlichen Rechtsterroristen gibt es deshalb mehrere Thesen. Die Wahrheitssuche kommt nur mühsam voran. Kann man bei der Identifizierung der aufgefundenen Leichen den Behörden glauben? Oder verraten bekannt gewordene Aktenteile etwas anderes über die Identität der Toten?

Am 4. November 2011 nähern sich gegen zwölf Uhr mittags zwei ältere Polizeibeamte einem verdächtigen Wohnmobil in Eisenach-Stregda. Die Polizei fahndet nach flüchtigen bewaffneten Bankräubern, die am Vormittag eine Eisenacher Sparkasse überfallen hatten. Die Polizisten Frank Mayer und Uwe Seeland haben Anweisung, zunächst nur festzustellen, ob sich Personen im Wohnmobil aufhalten. Nicht klopfen, nur horchen sollen sie.1) Als sich die Beamten auf zwei, drei Meter an das Fahrzeug heranschleichen, hören sie aus dem Inneren drei Schüsse. Die Polizisten gehen in Deckung. Kurz darauf brennt das Wohnmobil. Der NSU hat seine tödliche Selbstenttarnung begonnen.

Unstimmigkeiten bei Todesumständen und Tathergang, das Drama um die Vermisstenakte, der dritte Mann, ignorierte Munitionsteile oder verschwundene Fotoaufnahmen der Feuerwehr: die fragwürdige Aufklärung der Todesfälle im Eisenacher Wohnmobil hat das Vertrauen in Ermittlungsbehörden und die zuständige Jenaer Rechtsmedizin schwer zerrüttet. Sie lässt von Beginn an auch an der Identifizierung der Toten zweifeln und geben alternativen Hypothesen und Theorien Nahrung. Schon einmal wurde der Chefin der Rechtsmedizin von renommierter Seite vorgeworfen, ein Gewaltverbrechen nicht erkannt zu haben.2) Und doch ist klar: Es gibt keine Zwangsläufigkeit, dass Behörden und Rechtsmedizin im Falle der Identifizierung von Böhnhardt und Mundlos vorsätzlich lügen.

Am 10. November 2011 werden von den bereits obduzierten Leichen Ohrabdrücke abgenommen. Die dazugehörigen Fotoaufnahmen werden dokumentiert. Ohrabdrücke helfen durch die ausgeprägten individuellen Merkmale des menschlichen Ohres zum Beispiel bei der Identifizierung von Verdächtigen, wenn es keine DNA-Spuren oder Fingerabdrücke gibt.

Die Fotoaufnahmen der Ohren können im günstigsten Fall die Identifizierung der im Eisenacher Wohnmobil aufgefundenen Leichen bestätigen. Und zwar unabhängig von den Aussagen der beteiligten Behörden. In einem Vergleich des Bildmaterials aus den Akten mit bekannten Pressefotos von Böhnhardt und Mundlos soll mit der vorliegenden Untersuchung dieser Spur nachgegangen werden.

Zur Methodik

Der Vergleich bestimmter morphologischer Merkmale der Ohren soll beschreibend (deskriptiv) erfolgen und durch herausgearbeitete Formen und Größenverhältnisse unterstützt werden. Ein messtechnischer Nachweis von Übereinstimmungen ist wegen fehlender Referenzen bzw. unterschiedlicher Darstellungen und Qualitäten der zu vergleichenden Bildvorlagen nicht möglich. Das untersuchte Fotomaterial basiert auf Inhalten von veröffentlichten Ermittlungsakten. Eine Überprüfung der Echtheit dieser Dokumente ist nicht Bestandteil des Vergleichs.

Die Obduktionsfotos sowie die Fotoaufnahmen für einen Ohrabdruck werden als Referenzdaten mit geeigneten, frei zugänglichen Presseveröffentlichungen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos auf Übereinstimmung mehrerer Merkmale geprüft. Die Einzelergebnisse fließen in eine Gesamtaussage über eine Identifizierung ein.

Die Fotodokumente zu den Ohrabdrücken wurden in einem Bildbearbeitungsprogramm schonend optimiert durch Kontrasterhöhung, Nachbelichtung, Bildschärfenmodifikation sowie bei Format, Auflösung und Bildausschnitten an die Erfordernisse angepasst. Die Farbigkeit der Aufnahmen ist im Sinne einer verbesserten Darstellung verändert und leicht verfremdet. Damit wurde auch dem teils verstörenden Charakter der Aufnahmen Rechnung getragen.

Die gute Qualität der Ohrabdruck-Fotos ermöglichte das Extrahieren signifikanter Konturen der Ohrregionen. Diese Konturen wurden auf verfügbare Pressefotos gelegt, die in Kopfhaltung und Aufnahmewinkel den Referenzen möglichst nahe kommen. Die Bemaßung der Ohrabdruck-Fotos erlaubt eine eingeschränkte Berücksichtigung der Größenverhältnisse.

Neben den Ohrabdruck-Fotos liegen Obduktionsfotos der Ohren beider Toter vor.  Qualitätsunterschiede gibt es bei Modellierung, Zeichnung, Lichtreflektionen und Aufnahmewinkel.

Für den Ohrvergleich von Uwe Mundlos wird ein Obduktionsfoto des Komplexes 1.2 herangezogen. Grund dafür ist, dass in den Ermittlungsakten keine Ohrabdruck-Aufnahmen des Asservats 1.2 dokumentiert sind. Die aktenseitig Uwe Böhnhardt zugeordnete Aufnahme eines rechten Ohres weicht stark von den Darstellungen des verfügbaren Pressematerial ab. Deshalb war dieses Ohrabdruck-Foto (ADUB02) versuchsweise alternativ mit einem Pressefoto von Uwe Mundlos zu vergleichen, um eine mögliche falsche Aktenzuordnung auszuschließen.

Für Mundlos liegen keine Pressefotos mit linksseitiger Profilansicht in ausreichender Qualität vor. Statt einer frühen Aufnahme mit ungünstigem Aufnahmewinkel wird deshalb eine rechte Profilansicht gespiegelt. Das Ergebnis dieses Vergleiches ist von stark eingeschränktem Aussagewert, da nicht zwingend von einer Form- und Größenidentität des linken und rechten Ohres bei Uwe Mundlos ausgegangen werden kann.

Besonderheiten des Ohrvergleichs      

Abstehende Ohren (besonders Böhnhardt) lassen aufgrund des höheren Abstandwinkels in Richtung Gesichtsvorderseite bei einer seitlichen Profilansicht eine perspektivisch verkürzte Sicht auf das Ohr und seine Merkmale erwarten. Das ist bei den vorliegenden Referenzaufnahmen der Ohrabdrücke jedoch offensichtlich nicht der Fall. Ob frühere operative Veränderungen oder perspektivische Einstellungen der Aufnahmen für das Fehlen der bekannt gewordenen Ohrfehlstellungen verantwortlich sind, kann hier nicht geklärt werden. Für die Untersuchung der einzelnen Vergleichsmerkmale wird dieses Problem als nachrangig eingeschätzt. Mögliche perspektivische Verzerrungen finden beim Vergleich deshalb keine Beachtung.

Darstellungen von Personen in der Presse können aus gestalterischen Gründen gespiegelt sein. Hier geben weitere Bildindikatoren eine gewisse Sicherheit der seitenrichtigen Bildwiedergabe.3) Die einheitliche Veröffentlichung von Fotos in mehreren führenden Publikationen erlaubt einen Rückschluss auf eine hohe Wahrscheinlichkeit seitenrichtiger Darstellung.

Inwieweit Schussverletzungen, thermische Einwirkung oder der Verfallsprozess die Knorpelstruktur und das Gewebe der Ohrmuschel verändern konnten, ist nicht Gegenstand des Vergleiches. Der behördenseitig veranlasste Ohrabdruck lässt allerdings den Rückschluss zu, dass das Vergleichsmaterial prinzipiell als tauglich eingeschätzt wurde.

Unberücksichtigt bleiben ferner mögliche alterungsbedingte Veränderungen des Ohrreliefs zwischen Aufnahmedatum der Pressefotos und den Aufnahmen post mortem sowie Unstimmigkeiten einer Identifizierung von Uwe Böhnhardt durch Tätowierungen. Ungeklärte Fragen zu daktyloskopischen Befunden bzw. DNA-Abgleichen werden bei der Bewertung der Ohrvergleiche ebenfalls nicht einbezogen.

Ohrvergleich

Es ist sinnvoll, sich zunächst mit dem Aufbau des äußeren menschlichen Ohres bekannt zu machen.4)

Morphologie der Ohrmuschel

Der Ohrknorpel ist stark gefaltet, so dass sich ein typisches Ohrrelief mit zahlreichen Erhebungen und Vertiefungen ergibt, die jeweils eigene Bezeichnungen tragen. Der prominente äußere Rand der Ohrmuschel wird Helix genannt. Parallel zur Helix – getrennt durch eine enge gekrümmte Einziehung, die Scapha genannt wird – verläuft als prominenter Wulst die sichelförmige Anthelix. An ihrem kranialen Ende teilt sie sich in zwei getrennte Falten, die obere (Crus superius anthelicis) und untere Anthelixwurzel (Crus inferius anthelicis). Zwischen ihnen liegt eine dreieckige Einziehung, die Fossa triangularis.

Die Anthelix rahmt die eigentliche „Ohrmuschel“ (Concha auricularis) ein, eine ausgedehnte Vertiefung. Sie wird durch einen Ausläufer der Helix (Crus helicis) in 2 Teile getrennt, die kranial gelegene Cymba conchæ und das kaudal gelegene Cavum conchæ (Muschelhöhle), das den Übergang zum äußeren Gehörgang (Meatus acusticus externus) darstellt. Lateral vor dem Cavum conchae erkennt man zwei Vorwölbungen: Den rostral gelegenen Tragus (Ohrdeckel) und den dorsal gelegenen Antitragus. Kaudal des Tragus schließt sich das Ohrläppchen (Lobulus auriculae) an, das frei von Knorpel ist.

schema_ohr_mit_beschriftung

Legende zu den verwendeten Fotos:

A) Anthelix, B) Antitragus, C) Cavum conchae (Muschelhöhle), D) Cymba conchae, E) Crus helicis (Helixwurzel), F) Crus inferius anthelicis (untere Anthelixwurzel), G) Crus superius anthelicis (obere Anthelixwurzel), H) Fossa triangularis, I) Lobulus auriculae (Lobulo/Ohrläppchen), J) Helix, K) Scapha, L) Tragus (Ohrdeckel), M) Incisura intertragica, N) Incisura anterior, O) Tuberculum auriculare (Darwinhöckerchen)

Asservat 1.1./Ohrabdruckfoto/Ohr links

leiche_id_1.1_boehnhardt_ohr_01_links Kopie

1-1_ohr_links_merkmale_vergleich

Referenzbild Ohrabdruckfoto (ADUB01)
Gesamtverhältnis Ohr Länge/Breite: ca. 2:1;
Verhältnis Abstand Incisura anterior/Incisura intertragica zu Breite Concha-Höhle: ca. 1,5:1;
Verhältnis Abstand untere Anthelixwurzel/Unterkante Ohrläppchen zu unterer Anthelixwurzel/oberer Helixrand: ca. 1,4:1

Vergleichsbild (PFUB01)
Gesamtverhältnis Ohr Länge/Breite: ca. 2,3:1;
Verhältnis Abstand Incisura anterior/Incisura intertragica zu Breite Concha-Höhle: ca. 1,25:1
Verhältnis Abstand untere Anthelixwurzel/Unterkante Ohrläppchen zu unterer Anthelixwurzel/oberer Helixrand: ca. 1,8:1

Asservat 1.1./Obduktionsfoto/Ohr links

leiche_id_1.1_boehnhardt_ohr_obd_links Kopie

1_1_ohr_links_obduktionsfoto_vergleich_merkmale

Referenzbild Obduktionsfoto (ODUB01)
Gesamtverhältnis Ohr Länge/Breite: ca. 2:1;
Verhältnis Abstand Incisura anterior/Incisura intertragica zu Breite Concha-Höhle: ca. 1:1;
Verhältnis Abstand untere Anthelixwurzel/Unterkante Ohrläppchen zu unterer Anthelixwurzel/oberer Helixrand: ca. 1,8:1

Vergleichsbild (PFUB01)
Gesamtverhältnis Ohr Länge/Breite: ca. 2,3:1;
Verhältnis Abstand Incisura anterior/Incisura intertragica zu Breite Concha-Höhle: ca. 1,25:1
Verhältnis Abstand untere Anthelixwurzel/Unterkante Ohrläppchen zu unterer Anthelixwurzel/oberer Helixrand: ca. 1,8:1

Asservat 1.1/Ohrabdruckfoto/Ohr rechts

leiche_id_1.1_boehnhardt_ohr_01_rechts Kopie 1_1_ohr_rechts_vergleich_merkmale

Referenz Ohrabdruck-Foto (ADUB02):
Gesamtverhältnis Länge/Breite: ca. 1,8:1
Verhältnis Abstand Incisura anterior/Incisura intertragica zu Breite Concha-Höhle: ca. 1,3:1;
Verhältnis Abstand untere Anthelixwurzel/Unterkante Ohrläppchen zu unterer Anthelixwurzel/oberer Helixrand: ca. 1,6:1

Vergleichsbild (PFUB02)
Gesamtverhältnis Ohr Länge/Breite: ca. 2,1:1;
Verhältnis Abstand Incisura anterior/Incisura intertragica zu Breite Concha-Höhle: ca. 1:1
Verhältnis Abstand untere Anthelixwurzel/Unterkante Ohrläppchen zu unterer Anthelixwurzel/oberer Helixrand: ca. 1,8:1

Asservat 1.2./Obduktionsfoto/Ohr links

leiche_mundlos_ohr_links_vergleich_montage Kopie

1_2_ohr_links_vergleich_merkmale

Referenz Obduktionsfoto (ODUM01), Ausschnitt:
Gesamtverhältnis Länge/Breite: ca. 1,5:1
Verhältnis Abstand Incisura anterior/Incisura intertragica zu Breite Concha-Höhle: ca. 0,7:1;
Verhältnis Abstand untere Anthelixwurzel/Unterkante Ohrläppchen zu unterer Anthelixwurzel/oberer Helixrand: ca. 1,2:1

Vergleichsbild (PFUM01), gespiegelt:
Gesamtverhältnis Ohr Länge/Breite: ca. 1,7:1;
Verhältnis Abstand Incisura anterior/Incisura intertragica zu Breite Concha-Höhle: ca. 0,85:1
Verhältnis Abstand untere Anthelixwurzel/Unterkante Ohrläppchen zu unterer Anthelixwurzel/oberer Helixrand: ca. 1,8:1

Asservat 1.2/Obduktionsfoto/Profilansicht links

mundlos_ohr_rechts_links_winkel_vergleich Kopie

Verglichen werden das Obduktionsfoto Asservat 1.2 (ODUM01), linke Profilansicht mit einem gespiegelten Pressefoto. Wegen des fehlenden Nachweises der Form- und Größengleichheit von linkem und rechtem Ohr nur geringer Aussagewert. Auffällig allerdings die stark unterschiedlichen Neigungswinkel des Ohres zur vertikalen Kopfachse, sowie die Ohrform.

Asservat 1.2/Ohrabdruckfoto aus 1.1/Ohr rechts

Versuchsweise verwendet als Referenz Asservat 1.1/Ohrabdruckfoto/Ohr rechts (ADUB02) für Vergleich mit Mundlos, Ohr rechts um auszuschließen, dass Ohrabdruckfoto rechts aus Asservat 1.1 falsch zugeordnet wurde

leiche_mundlos_ohr_boehnhardt_rechts_vergleich_montage Kopie

1_2_ohr_rechts_vergleich_merkmale Kopie

Referenz Ohrabdruck-Foto (ADUB02):
Gesamtverhältnis Länge/Breite: ca. 1,8:1
Verhältnis Abstand Incisura anterior/Incisura intertragica zu Breite Concha-Höhle: ca. 1,3:1;
Verhältnis Abstand untere Anthelixwurzel/Unterkante Ohrläppchen zu unterer Anthelixwurzel/oberer Helixrand: ca. 1,6:1

Vergleichsbild (PFUM01) :
Gesamtverhältnis Ohr Länge/Breite: ca. 1,7:1;
Verhältnis Abstand Incisura anterior/Incisura intertragica zu Breite Concha-Höhle: ca. 0,85:1
Verhältnis Abstand untere Anthelixwurzel/Unterkante Ohrläppchen zu unterer Anthelixwurzel/oberer Helixrand: ca. 1,8:1

Ergebnisse

Vorbemerkung

Bei der Bewertung der Einzelergebnisse beim Vergleich ausgewählter Merkmale müssen mit dem Verfahren verbundene Fehlerquellen berücksichtigt werden, die hier nicht näher erläutert werden. Das betrifft die Qualität des Bildmaterials und eine Vielzahl von Faktoren, die selbst bei identischen Vergleichspersonen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen konnten, z.B. unterschiedliche aufnahmespezifische Bedingungen wie Beleuchtung, Perspektive, Tiefenschärfe oder natürliche Faktoren wie altersbedingte Veränderungen bzw. Veränderungen durch operative Eingriffe usw.

Die Einbeziehung der Einzelergebnisse in eine Gesamtaussage versucht diese Beeinträchtigungen global zu berücksichtigen. Der Schwerpunkt der Beurteilung wird deshalb auf die leicht erkennbare Grundstruktur des Ohres gelegt, also die Grundform des Ohres und die dominanten durch Knorpel gebildeten Einzelformen sowie ihre Größenverhältnisse zueinander. Gewebeanteile wie das Ohrläppchen treten in der Gewichtung zurück wegen möglicher Veränderungen post mortem.

Asservat 1.1

Beim linken Ohr ergeben sich aus den direkten Vergleichen des Ohrabdruckfotos und des Obduktionsfotos mit einem Pressefoto große Übereinstimmungen. Zu berücksichtigen ist zwar, dass Formen und Reliefbildung abgesehen von der Fehlstellung des Ohres einen eher durchschnittlichen und weit verbreiteten Charakter haben. Allerdings stellt die Krempenausbildung der Helix, die durch die innere Helix-Konturlinie dargestellt wird, ein besonderes Merkmal dar. Hier ist die spitze Einkerbung am oberen Ohrbogen zu erwähnen.

Unterschiede zwischen Referenzbildern und Vergleichsbildern können zudem auf eingeschränkte Bildqualität der Pressefotos bzw. Interpolationen der Bildauflösung zurückgeführt werden. Dazu kommen Ungenauigkeiten durch perspektivische Verzerrungen, unterschiedliche Beleuchtung, alterungsbedingte Veränderungen des Ohrs, physikalische Einflüsse unmittelbar vor und nach Eintritt des Todes.

Das rechte Ohrabdruckfoto stimmt in wichtigen Merkmalen und Größenverhältnissen nicht mit den Vergleichsdokumenten aus der Presse überein. Die Analyse der veröffentlichten Pressefotos zeigt überdies eine ungefähre Gleichförmigkeit von linker und rechter Ohrmuschel bei Uwe Böhnhardt.

Drei Konsequenzen scheinen möglich:

  1. Die Referenzdaten schließen Uwe Böhnhardt für eine infrage kommende Identifizierung aus.
  2. Die Struktur des Ohres wurde vor oder nach Eintritt des Todes zwar stark verändert, das Ergebnis der Identifizierung mit Uwe Böhnhardt bleibt gültig wegen der hohen Übereinstimmung beim Ohrvergleich des linken Ohres.
  3. Die Referenzdaten wurden einem falschen Asservat zugeordnet, es handelt sich bei den Bilddokumenten mglw. um ein Foto des Komplexes 1.2 (konnte nicht bestätigt werden; s.o.).

Eine abschließende Klärung der Gründe für die signifikanten Unterschiede von linkem und rechtem Ohr des Asservats 1.1 ist in diesem Rahmen nicht darstellbar. Eine mögliche falsche Zuordnung der Asservatdokumentation konnte im Ohrenvergleich mit Uwe Mundlos jedenfalls nicht bestätigt werden.

Der hohe Grad an übereinstimmenden Merkmalen beim Vergleich des linken Ohres mit der Besonderheit einer „Kerbe“ im oberen Helixbogen berechtigt allerdings, eine Tendenz zu formulieren. Das wird dadurch unterstützt, dass die vorliegenden starken Formunterschiede der Ohren ungewöhnlich sind und eine Veränderung des rechten Ohres durch äußere Einflüsse möglich erscheint. Basierend auf den Ergebnissen des Ohrvergleiches zum linken Ohr handelt es sich beim Komplex 1.1 mit großer Wahrscheinlichkeit um Uwe Böhnhardt.

Asservat 1.2

Beim Komplex 1.2 konnte in einem Ohrvergleich nur bei wenigen Merkmalen Übereinstimmung erzielt werden. Gründe dafür sind zum einen, dass nur ein klar zuzuordnendes Referenzdokument eines Obdukitionsfotos vorlag. Die dokumentierten Ohrabdruckaufnahmen sind im verfügbaren Bestand der Ermittlungsakten nicht vorhanden. Geeignetes Vergleichsmaterial aus Presseveröffentlichungen einer linken Profilseite von Uwe Mundlos liegt nicht vor.

Ein Vergleich des Obduktionsfotos eines linken seitlichen Kopfprofils mit einem rechten seitlichen Kopfprofil aus Presseveröffentlichungen ist von erheblich eingeschränktem Aussagewert, weil identische Ohrformen und -stellungen nicht vorausgesetzt werden können. Eine hohe Übereinstimmung an Merkmalen hätte dagegen auf vorhandene Gleichförmigkeit schließen und eine Identifizierung wahrscheinlicher werden lassen. Die beschriebenen Abweichungen der Merkmale lassen drei Möglichkeiten zu:

  1. Die Referenzdaten schließen Uwe Mundlos bei vorausgesetzter Gleichförmigkeit des linken und rechten Ohres für eine infrage kommende Identifizierung aus.
  2. Die Struktur des Ohres wurde vor oder nach Eintritt des Todes zwar stark verändert, eine Identifizierung anhand des Ohres ist trotz angenommener Gleichförmigkeit nicht möglich
  3. Das Abdruckfoto rechtes Ohr aus Komplex 1.1 wurde nicht fehlerhaft Asservat 1.2 zugeordnet, ein Ohrvergleich basiert auf falschen Referenzdaten und ist ungültig

Die Identifizierung des Komplexes 1.2 mit Uwe Mundlos kann durch Ohrenvergleich unter den dargestellten Voraussetzungen weder bestätigt, noch ausgeschlossen werden.

Zusammenfassung

Unter dem Vorbehalt, dass eine plausible Erklärung für die starken Abweichungen von linkem und rechtem Ohr gefunden werden kann, ist für den Asservatekomplex 1.1 eine Identifizierung mit Uwe Böhnhardt mit großer Wahrscheinlichkeit zu bestätigen. Für den Asservatekomplex 1.2 kann eine Identifizierung wegen ungenügender Vergleichsvoraussetzungen nicht erfolgen.

Schlussbetrachtung

Die fehlende Eindeutigkeit der Ergebnisse mag unbefriedigend erscheinen. Dem sind mehrere Überlegungen entgegenzuhalten.

Darstellungen der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden zu den Ereignissen am 4. November 2011 in Eisenach-Stregda sind in einer Reihe von Punkten falsch oder widersprüchlich. Es liegen zahlreiche Indizien für Verschleierung der Tathintergründe sowie Beweismittelmanipulation am Tatort durch Behörden vor. Das Tatgeschehen und eine mögliche Fremdbeteiligung konnten bis heute nicht schlüssig geklärt werden.5)

Kritische Fragen an Ermittlungs- und Untersuchungsergebnisse richten sich deshalb auch an die Identifizierung der im Wohnmobil aufgefundenen Leichen. Behördenseitig veröffentlichte Untersuchungsergebnisse können vielfach nicht oder nur eingeschränkt verifiziert werden. Ergebnisse der NSU-Untersuchungsausschüsse stehen gleichfalls in der Kritik. Skepsis ist umso mehr angezeigt, als staatliche Behörden verdächtigt werden, im Kontext des sog. NSU in schwere Straftaten involviert zu sein.

Der vorliegende Ohrvergleich sollte die behördenseitig dargestellte Identifizierung untersuchen. Eine Bestätigung gelang zwar nur teilweise. Allerdings bietet der Ohrenvergleich einen unabhängigen Aufklärungsansatz, der seinerseits Grundlage für weitere Untersuchungen sein kann und mit den Ergebnissen alternative Thesen zum NSU jetzt schon stützt oder schwächt.

Fußnoten:

1)  Protokoll des Thüringer Untersuchungsausschusses vom 31.03.2014;
Vernehmung der Polizisten Mayer und Seeland
https://haskala.de/2014/03/31/ticker-zum-nsu-untersuchungsausschuss-31-03-2014/

2) http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Mysterioeser-Tod-in-Meiningen-Experte-glaubt-an-Toetung-1107388817
In einem weiteren Fall, 2009, also 2 Jahre vor der NSU-Selbstenttarnung, musste die Jenaer Rechtsmedizin nachträglich von Stichverletzung zu Schussverletzung korrigieren.
http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/suche/detail/-/specific/Gothaer-Mord-war-ein-Auftrag-761831405

Lesenswert dazu hier:
http://web-archive-net.com/page/2778195/2013-09-01/http://www.bitterlemmer.net/wp/2010/03/19/pling-kullerte-die-pistolenkugel-aus-dem-toten-auf-den-sektionstisch-wahrend-die-polizei-einen-messerstecher-suchte/

3) Beispiel: Eine bekannte Aufnahme aus einem Wohnmobil zeigt Uwe Böhnhardt auf der Fahrerseite, eine Links-rechts-Zuordnung wäre damit zweifelsfrei gegeben.

4) http://flexikon.doccheck.com/de/Ohrmuschel
Die Website bietet eine gute interaktive Grafik, in der die Regionen der Ohrmuschel übersichtlich dargestellt werden.

5) Stellvertretend hier der Verweis auf zahlreiche Artikel des Bloggers friedensblick.de (http://friedensblick.de/) und des Sicherungsblogs NSU des AK NSU (http://sicherungsblog.wordpress.com/)

Bildnachweis Grafik Ohr: http://wwwlehre.dhbw-stuttgart.de/~memmeshe/studienarbeiten/Ear%20Recognition/ohrmuschel.htm